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Der Zwerg reinigt den Kittel

Der Zwerg reinigt den Kittel

Titel: Der Zwerg reinigt den Kittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Augustin
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Anti-Demenz-Training.
    Â»So heißt das nämlich, in Wahrheit«, hat Schwester Cornelia zu mir gesagt, »und früher haben wir das auch so genannt, aber dann ist der neue Heimleiter gekommen und hat die Gerontopädagogin gefeuert und gesagt, dass wir vom Pflegepersonal das genauso gut können.
    Wissen Sie eigentlich, was so eine Gerontopädagogin kostet!
    Außerdem hat der Heimleiter gesagt, dass Anti-Demenz-Training nicht so gut klingt. Seitdem sagen wir Kreativworkshop, und wenn Sie sich darüber beschweren wollen, Frau Block, dass Schwester Olga in der Programmgestaltung nicht besonders kreativ ist, dann beschweren Sie sich doch bitte beim Heimleiter. Vielleicht kann der Ihnen ja erklären, woher wir vom Pflegepersonal die Kraft nehmen sollen, uns zwischen den Schichten auch noch lustige Spielchen auszudenken gegen die Verblödung.«
    Schwester Cornelia leitet den Kreativworkshop auf Stockwerk zwei, und sie war ziemlich sauer auf mich, weil ich das Thema angesprochen habe.
    Mein Gott, man wird ja noch fragen dürfen.
    Das mit dem Lied zum Beispiel. Man wird ja noch fragen dürfen, warum wir immer ein Lied singen müssen, ganz am Anfang. Ich meine: Singe, wem Gesang gegeben, klar, aber wir können hier alle gar nicht singen, bis auf Frau Fitz natürlich, und die ist auch die Einzige, die wirklich singt. Wir anderen machen eher, nun ja, Geräusche.
    Frau Sonne zum Beispiel: Bei ihr klingt es wie ein leises Wimmern, wenn sie singt.
    Oder Karlotta: eine Art Kriegsgeheul.
    Suzanna: gluckst, kichert, gluckst.
    Die Gräfin: gibt alle hundert Jahre ein morsches Knarzen von sich, und Frau Wimmer klingt wie ein Eichhörnchen mit Herzrhythmusstörung.
    Ich mache gar nichts, weil ich kann nicht nur nicht singen, sondern auch keine Geräusche machen, die zu irgendwas irgendwie dazupassen. Dafür imitiert Marlen erfolgreich das Geräusch einer Kreissäge. Sie singt immer extra laut und extra falsch, und das macht sie extra, um Karlotta zu ärgern, die nach unserer ersten Erfahrung mit dem Kreativworkshop gesagt hat: »Mitmachen! Egal, wie verblödet das Anti-Verblödungs-Training ist: unbedingt mitmachen! Sonst fallen wir auf.«
    Kommt ein Vogel geflogen.
    Das Wandern ist des Müllers Lust.
    Im Frühtau zu Berge.
    Vor zwei Tagen hat Marlen zu Schwester Olga gesagt, die gerade Kommt ein Vogel geflogen anstimmen wollte, ob wir nicht etwas anderes singen könnten zur Abwechslung. Irgendwas Passenderes, schließlich sind wir hier nicht in einem protestantischen Frauenchor oder im Kindergarten, sondern in einer Seniorenresidenz.
    Â»Aber natürlich, Frau Stauffenbach!« Schwester Olga war ganz begeistert. »Was schlagen Sie vor?«
    Â»Wie wär’s mit Trägt man mich zum Friedhof hin oder Drei Lilien, drei Lilien, die pflanzt ich auf mein Grab ?«
    Suzanna hat gekichert, Schwester Olga hat matt gelächelt und Kommt ein Vogel geflogen angestimmt.
    Wenn wir fertig sind mit dem Lied, kommt das Kontaktspiel.
    Das Kontaktspiel heißt Das wandernde Gesicht, und es soll die Beziehung zwischen den Workshopteilnehmern positiv beeinflussen. Sagt zumindest Schwester Olga immer, bevor wir mit dem Kontaktspiel anfangen. Dann bittet sie eine von uns, ein lustiges Gesicht zu machen, meistens Frau Fitz, weil Frau Fitz das am besten kann.
    Â»Würden Sie bitte ein lustiges Gesicht machen, Frau Fitz, und es zum Wandern bringen.«
    Frau Fitz macht ein lustiges Gesicht, dann dreht sie den Kopf nach rechts und zeigt es Frau Wimmer, die das lustige Gesicht nachmacht und Frau Sonne zeigt, die das lustige Gesicht nachmacht und so weiter. Prinzip Stille Post, und ich weiß nicht, ob Sie eine Vorstellung davon haben, wie das lustige Gesicht aussieht, wenn es am Ende wieder bei Frau Fitz angekommen ist.
    Das Lied und das Kontaktspiel sind die Aufwärmphase, danach kommt die Kreativphase. So nennt es Schwester Olga, Kreativphase, oft sagt sie auch psychomotorische Aktivitätsphase. Keine Ahnung, woher sie den Ausdruck hat, wahrscheinlich von der ehemaligen Gerontopädagogin.
    Eine Rolle Packpapier, ein dicker Filzstift, ein Ball.
    Schwester Olga holt das Zeug aus der großen Umhängetasche, die sie immer mitschleppt zum Workshop, und sagt: »Wir gehen jetzt in die psychomotorische Aktivitätsphase über. Bitte stehen Sie auf und nehmen Sie Ihre Klappstühle und bilden Sie mit Ihren Klappstühlen einen Halbkreis.«
    Aufstehen,

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