Der Zypressengarten
Herz war es, worauf es ankam, denn das war das Einzige, was sie am Ende mitnahm.
Während der Tag verging, wuchs Florianas Entschlossenheit. Sie sollte ihr Schicksal selbst bestimmen, statt andere entscheiden zu lassen, was aus ihr wurde. Mit diesem festen Entschluss zog sie ihre Sandalen an und ging zurück an den Strand.
Dante wanderte durch die Gästeschar, schüttelte den Männern die Hände, die ihm fest auf den Rücken klopften, und bückte sich, um den Damen die Hände zu küssen. Er bezauberte sie mit seinem Charme und Witz. Inzwischen war er zu einem auffallend gut aussehenden jungen Mann herangewachsen. Mit seinen breiten Schultern, dem hocherhobenen Kopf und dem klaren, ruhigen Blick war er der Inbegriff des Kronprinzen. Allerdings haftete ihm nicht die Spur von Arroganz an. Eine ironische Amüsiertheit vielleicht, als wäre dieser ganze Pomp hoffnungslos übertrieben. Doch er war viel zu höflich und würde die enormen Bemühungen seiner Mutter niemals offen ins Lächerliche ziehen.
Fünf Jahre in Amerika hatten ihn eine Menge über die Welt gelehrt, aber auch über sich. Er war klug, lernte schnell und fand leicht Freunde. Mädchen mochten ihn – doch er musste feststellen, dass, so einfach wie Beziehungen begannen, deren Auflösung immer wieder ein überaus schmerzlicher und komplizierter Prozess war. Deshalb hatte er sich auf unzählige Affären verlegt, die keinerlei Gefahr bargen, zu etwas Ernsthaftem auszuwachsen. Es hatte hinreichend junge Frauen auf dem Campus gegeben, die schlicht mit ihm ins Bett gehen wollten, und er gönnte sich das Vergnügen.
Die Freunde, die er sich aussuchte, waren ebenso sportbegeistert wie er. Er lernte American Football und Baseball, glänzte auf dem Tennisplatz und im Squash-Court. In einem anderen Land zu leben hatte ihm Spaß gemacht, und er genoss es. Dennoch gab es einen Teil von ihm, der stets unzufrieden blieb. Es war eine innere Unruhe, ähnlich Heimweh, die ihn jedes Mal einholte, wenn er am verletzlichsten war: morgens beim Aufwachen oder wenn er allein und nachdenklich gestimmt war. So sehr er sich auch bemühte, er konnte nicht ergründen, woher sie rührte. Sicherlich hatte sie nichts mit seinen Eltern zu tun, denn er vermisste sein Zuhause nicht. Sobald er jedoch an La Magdalena dachte, überkam ihn ein schmerzhaftes Verlustgefühl. Und nun, da er wieder hier war, fragte er sich, ob es ihn wieder heimsuchen würde oder seine Seele endlich zufrieden war.
Das Dinner wurde unter dem Sternenbaldachin serviert. Dante saß zwischen zwei jungen Frauen, die flirteten und zwitscherten wie zwei hübsche Wellensittiche. Die Contessa bemerkte, dass Costanza am anderen Tischende von Dante saß, inmitten anderer junger Mädchen ihres Alters. Sie beschloss, Dantes Aufmerksamkeit direkt nach dem Essen auf ihre Tochter zu lenken. Ihr eigener Platz gefiel ihr indes sehr gut, denn sie saß an Beppes Nebentisch, einen Cousin von ihm zu ihrer einen und einen engen Freund der Familie zu ihrer anderen Seite. Sie trank Wein und kostete den Moment aus, der ihr ein wohliges Gefühl von Dazugehörigkeit bescherte.
Nach dem Essen hielt Beppe eine lange, pompöse Rede. Noch ein Zeichen für seinen Mangel an Anstand, dachte sie selbstzufrieden.
Nicht dass es etwas ausmachte. Die Gäste lachten über seine Scherze und klatschten am Ende laut. Der Reichtum übertünchte seine Fehler ebenso verlässlich wie die Diamanten ihrer Schwiegermutter die der Aldorisios. Gläser wurden erhoben, Trinksprüche ausgebracht und Dante stand auf, um eine witzige, selbstironische Rede zu halten, die alle noch verliebter in ihn machte. Sämtliche junge Mädchen hofften insgeheim, ihn für sich gewinnen zu können, und die Mütter planten ihre Strategien wie Heerführer.
Costanza dachte an Floriana und ihren unmöglichen Traum. Wenn sie Dante jetzt sehen könnte, würde ihr klar, wie lächerlich es war, sich Hoffnungen auf sein Herz zu machen. Ein Mann wie Dante würde ein einfaches Mädchen aus dem Ort niemals beachten.
Die Contessa beobachtete die anderen Mütter junger Mädchen zunehmend als lästige Konkurrenz. Es gab einige außerordentlich hübsche Mädchen hier, schlanker und schöner als Costanza. Sie musste dringend dafür sorgen, dass Costanza strikte Diät hielt, sonst bräuchten sie sich gar keine Hoffnungen zu machen. Sobald sich die Gelegenheit ergab, schnappte sie sich Costanza und zerrte sie fast zum anderen Ende des Gartens, wo Dante sich mit einer kleinen Gruppe hübscher junger
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