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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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und sturköpfig. Sie wollte, dass ich mich mit ihr gegen Marina und meinen Vater verbünde, statt mir zu raten, mich mit den beiden zu vertragen. Sie war nie ein offener Mensch, und ich schätze, sie fand es klasse, dass ich mich nicht mit der Frau verstand, die Dad liebt. Im Grunde hat keiner gesagt, dass ich mich mit ihr anfreunden sollte. Und ich selbst bin gar nicht auf die Idee gekommen. Ich habe nie daran gedacht, mir anzuhören, was sie zu sagen hat.«
    »Aber jetzt hast du es.«
    »Ja, und du hattest recht. Zu jeder Geschichte gibt es zwei Seiten. Sie ist keine böse Stiefmutter, also werde ich sie auch in Zukunft nicht mehr Submarine nennen.« Sie senkte den Blick und streichelte Biscuits Bauch. »Ich glaube, ich verstehe jetzt ein bisschen besser, was Liebe ist.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Liebe ist ein helles Licht, das alles Negative überstrahlt. Du weißt schon, wie Sonnenschein auf Morgennebel. Ich habe gemerkt, wie mir das Herz aufging, als ich Marina zuhörte und der ganze schwere, finstere Nebel einfach verdunstet ist. Das war irre. Und es hat mich zu dem Schluss gebracht, dass glückliche Menschen voller Liebe sind Unglückliche haben so gut wie nichts … oder wirklich nichts. Es ist im Grunde ganz simpel. Würde jeder lieben, gäbe es keine Kriege. Alle würden in Frieden leben.«
    »Ich denke, du solltest als Premierministerin kandidieren.«
    Sie lachte. »Aber wie bringt man Leuten die Liebe bei?«
    »Da gab es schon viele Lehrer, wie Jesus, Mohammed, Buddha, Gandhi, um nur einige zu nennen. Jetzt können wir Clementine Turner mit auf die Liste setzen.«
    Sie beobachtete, wie sich seine Hand sicher über das Blatt bewegte, und dachte, wie attraktiv es einen Mann machte, so begabt zu sein. »Warst du schon mal verliebt, Rafa?«
    »Ich war schon oft verliebt«, sagte er und grinste ihr zu. »Doch verliebt zu sein und zu lieben sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Verliebtheit ist eine Schwärmerei. Die Liebe fängt an, wenn die Verliebtheit vorbei ist und man den anderen richtig kennt . Denn wie kann man jemanden lieben, den man nicht kennt?«
    »Und hast du schon mal geliebt?«
    »Ein Mal.«
    »Wie war sie?«
    Er überlegte kurz. »Sie war sehr süß.«
    »Blond, brünett?«
    »Brünett.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich war nicht bereit, mich zu binden.«
    »Wollte sie dich heiraten?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Sie war Argentinierin, also dachte sie an nichts anderes.«
    »Und das hat dich abgeschreckt?«
    »Eigentlich nicht. Aber ich war rastlos. Das Timing war falsch.«
    »Und was ist passiert?«
    »Sie hat Schluss mit mir gemacht, sich jemand anderen gesucht und ihn geheiratet.«
    »Warst du sehr traurig?«
    »Natürlich, aber was sollte ich machen?«
    »Denkst du noch an sie?«
    »Manchmal.«
    »Bereust du, dass du sie nicht geheiratet hast?«
    »Nein, nie.«
    »Hast du noch Kontakt zu ihr?«
    »Nein.« Er kniff die Augen ein wenig zusammen, und seine Mundwinkel bogen sich nach oben. »Noch weitere Fragen, oder war es das mit dem Verhör?«
    »Du bist sehr rätselhaft.«
    »Rätselhaft?«
    »Ja. Du gibst kaum etwas von dir preis. Klar, du erzählst von deinen Eltern und Argentinien, aber nichts von dir.«
    Er stieß einen theatralischen Seufzer aus. »Na gut. Ich bin ein Spion und arbeite undercover für die argentinische Regierung. Aber mehr darf ich dir nicht verraten, sonst muss ich dich töten.«
    Sie sah ihn nachdenklich an. Er hielt ihrem Blick stand, und einen Moment lang sprachen sie beide nicht. Alles schien stillzustehen. Die Sonne sank endlich hinter die Baumwipfel, sodass sie im Schatten saßen. Beide spürten die Energie, die sich zwischen ihnen aufbaute. Aber Clementine war inzwischen an das hitzige Gefühl des Verlangens und der Vorfreude auf einen Kuss gewöhnt, der nicht kam. Sie musste ihre gesamte Willenskraft aufbieten, um den Blick von ihm zu lösen. »Bist du bald fertig?«, fragte sie und brach den Zauber. »Ich werde ziemlich steif.«
    »Das Licht hat sich verändert.«
    »Wollen wir reingehen?«
    Er wirkte enttäuscht. »Wenn du willst.«
    Sie stand auf. Biscuit rollte sich wieder herum und streckte sich. Clementine konnte Rafas Enttäuschung fühlen, denn das Knistern zwischen ihnen wurde vom Wind weggetragen.
    »Darf ich es sehen?«
    Rafa reichte ihr seinen Skizzenblock. Beim Anblick des Bildes staunte sie. Das Mädchen in dem goldenen Licht war wunderschön. Rafa packte seine Farben und Stifte zusammen und richtete sich auf. »Sehe ich tatsächlich so

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