Der Zypressengarten
aus?«, fragte Clementine ungläubig.
»Für mich ja.«
Sie guckte ihn an und fragte sich, wenn er sie so sah, wieso er sie dann nicht in seine Arme nahm und küsste. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Doch, weißt du wohl.«
»Danke.« Sie gab ihm den Block zurück. »Kommst du mit rein?«
»Gleich. Ich will nur kurz telefonieren.«
»Dann gute Nacht. Wir sehen uns morgen.« Clementine marschierte mit Biscuit den Grashang hinauf. Sie fühlte deutlich, dass Rafa ihr nachsah, drehte sich jedoch nicht um. Es hatte sie schon alle Kraft gekostet, wegzugehen; sie hatte keine mehr übrig, noch einmal hinzusehen.
Rafa beobachtete, wie sie um das Hotel herumging, und tiefe Furchen bildeten sich auf seiner Stirn. Er war frustriert und wusste nicht, wie lange er noch so weitermachen konnte. Clementine begann, ihn vollständig einzunehmen. Wann immer er versuchte, an etwas anderes zu denken, erschien ihr Bild in seinem Kopf. Er hatte geglaubt, dass er seine Gefühle kontrollieren könnte, doch es wurde zusehends klarer, dass er sich irrte.
Er zog sein BlackBerry aus der Tasche und rief seine Mutter an. In Momenten wie diesen vermisste er sie schrecklich. Ihm fehlte der Klang ihrer Stimme und alles, was er mit ihm verband. »Mamá.«
»Rafa, mi amor. Ist alles in Ordnung?«
» Mamá, ich bin verliebt.«
Zunächst herrschte Stille, ehe seine Mutter erstaunlich ruhig fragte: »Ist sie sehr besonders?«
»Sie ist einzigartig.«
Maria Carmela mochte seine Gründe herzukommen nicht verstehen, aber wenn es um Liebe ging, kannte sie sich bestens aus. »Und warum klingst du so traurig?«
»Ich bin durcheinander. Ich bin aus einem einzigen Grund hierhergekommen, und der war nicht, mich zu verlieben.«
»Folge deinem Herzen, Rafa.«
»Will ich ja, aber ich kann nicht, solange ich außerstande bin, ehrlich zu ihr zu sein.«
»Es könnte furchtbar schiefgehen.« Wieder trat Stille ein. Maria Carmela überlegte, was sie ihm raten sollte. Dies hier überforderte sie. »Sie wissen nichts. Gar nichts. Und ich bin mir nicht sicher. Ich brauche mehr Zeit.« Er seufzte. »Bin ich egoistisch? Sie sind eine glückliche Familie, und ich mag sie alle so sehr. Dann bist da noch du. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, und wenn du an mir zweifelst, kann ich es nicht tun.«
»Ich habe nachgedacht. Wenn dir das so wichtig ist, musst du es tun, und ich werde dich unterstützen. Dein Vater wäre nicht froh, aber das regle ich mit ihm, wenn ich ihn im nächsten Leben wiedersehe. Überlass ihn mir. Jetzt musst du Frieden finden, das ist alles, was zählt. Es ist dein Recht, und ich stehe zu dir.«
Er war so gerührt, dass ihm das Sprechen schwerfiel. »Danke.«
»Die Liebe ist es, die mir die Kraft gibt, dich loszulassen.«
»Dann hast du keine Angst mehr?«
»Nein. Ich sehe es ein, und ich bin zufrieden. Ich weiß selbst nicht, wieso ich jemals an dir gezweifelt habe.«
Er rieb sich die Nasenwurzel. »Du ahnst nicht, wie viel mir das bedeutet.«
»Oh doch, das tue ich. Na, willst du jetzt hören, was der verrückte Papagei heute angestellt hat?«
Lachend wischte er sich die feuchten Augen. »Ja, erzähl.«
Als Clementine am Montagmorgen zur Arbeit kam, stand Sylvia über einen Aktenschrank gebeugt, sodass ihr Gesicht von ihrem Haar verborgen wurde. Bei näherem Hinsehen erkannte Clementine, dass sie weinte.
Mr Atwood war noch nicht da, auch Mr Fisher nicht. Clementine ignorierte das schrillende Telefon, stellte ihren Kaffee auf ihren Schreibtisch und ging zu Sylvia.
»Alles okay?«, fragte sie.
Sylvia schniefelte und nickte. »Ich hab gehört, dass du mit Joe Schluss gemacht hast.«
»Ja, stimmt. Es hätte zu nichts geführt. Und es war unfair von mir, ihm etwas vorzumachen.«
»Du bist in Rafa verliebt, stimmt’s?«
Clementine stutzte. »Weinst du deshalb?«
Sylvia sah zu ihr, lächelte unglücklich und nickte. »Ich liebe Freddie nicht«, gestand sie. »Habe ich nie. Um ehrlich zu sein, habe ich eigentlich noch nie jemanden geliebt. Aber neulich …«
»Komm, setz dich hin.« Clementine legte einen Arm um sie und führte Sylvia zu ihrem Stuhl. Dort gab sie ihr den Kaffeebecher, an dem Sylvia halbherzig nippte.
»Ich habe dich und Rafa gesehen, und, tja, da konnte ich es fühlen.«
»Was fühlen?«
»Diese unglaubliche Sache zwischen euch. Ich hatte das nie, habe nie geglaubt, dass es das gibt.« Sie guckte Clementine hilflos an. »Ich möchte das auch!«
Clementine war erleichtert. Es wäre wenig
Weitere Kostenlose Bücher