Der Zypressengarten
zu holen.
Celeste hatte ein paar Stunden im Wintergarten mit Rafa genossen und war nun Expertin in Sachen Aquarellfarben. Sie erzählte ihrem Mann, dass der junge Künstler sie zum Malen überredete, weil er eine verwandte Seele in ihr erkannte, jemandem mit dem gleichen natürlichen Flair und Talent wie er.
»Das Dumme ist«, erklärte sie, während der Sommelier ein wenig Wein in das Glas ihres Mannes schenkte und wartete, dass er ihn kostete, »dass mir einfach die Zeit fehlt, all die Dinge zu tun, in denen ich gut bin.« Charles schwenkte sein Glas und führte es an die Lippen. Der Sommelier hielt die Luft an. Dieser Cabernet-Sauvignon-Verschnitt war einer seiner Favoriten, und er war sicher, dass ein gebildeter Geschäftsmann wie Mr Reuben ihn zu schätzen wusste.
»Vollmundig, komplex und fruchtig«, konstatierte er und leerte das Glas.
Der Sommelier schenkte nun zuerst Mrs Reuben ein und dann ihrem Mann. Er war kreuzunglücklich, weil die Frau von ihrem Wein trank, ohne auch bloß anerkennend zu lächeln. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, über sich selbst zu reden, als dass sie den Geschmack des Weines wahrnahm.
Nach dem Mittagessen wollte Celeste weitermalen. Charles zog sich auf sein Zimmer zurück, um einige Anrufe zu erledigen. Grey und Marina gingen hinüber zum Stallblock. Es hatte aufgehört zu regnen, und die Sonne war herausgekommen. Sie schien auf das nasse Laub und brachte die Tropfen darauf zum Glitzern. Weder Grey noch Marina wollten über die Reubens sprechen. Was ihr Besuch bedeutete, war schlicht zu schmerzhaft. Also umschifften sie das Thema sorgsam, obwohl es zwischen ihnen in der Luft hing wie ein grellbuntes Neonzeichen.
Zur Teezeit kam Clementine in ihrem Mini Cooper die Einfahrt heraufgefahren. Sie konnte es nicht abwarten, sich diese Reubens anzusehen. Als Erstes entdeckte sie Rafa im Wintergarten, wo er gerade Farben und Pinsel wegräumte.
»Und?«, zischte sie, nachdem sie sich von hinten an ihn herangeschlichen hatte.
Er drehte sich um. »Ah, du bist es!« Er lachte. »Ich nehme an, du meinst nicht die Reubens.«
»Sag schon, wie sind sie?«
»Pesados«, antwortete er. »Heftig.«
»Wo sind sie jetzt?«
»Weiß ich nicht. Marina und dein Vater sind rübergegangen. Die Stimmung ist reichlich angespannt.«
»Ich weiß. Das fühle ich.« Sie blickte sich zum Salon um, wo andere Gäste in kleinen Gruppen zusammensaßen, Tee tranken und an kleinen Eier-Sandwiches knabberten, und Clementine fragte sich, ob sie es ebenfalls merkten.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Vater tatsächlich verkaufen würde.«
»Er will es ja nicht, Clementine.«
Sie sah Rafa ernst an. »Es sieht wirklich schlimm aus, nicht?«
»Anscheinend schon. Ich wünschte, ich könnte irgendwie helfen.«
»Ich auch.« Sie legte eine Hand auf seinen Arm. »Aber das können wir nicht. Wir können den beiden nur beistehen – und hoffen, dass die Reubens es hier scheußlich finden.«
Er grinste betrübt. »Leider ist das unmöglich. Das Polzanze hat einen Zauber, den man sehr selten findet.«
»Und den Marina mitnimmt, wenn sie gehen muss. Was sie kaufen können, ist am Ende nur eine leere Hülle.« Sie ging hinüber zu den großen Glastüren und blickte hinaus auf den sonnengefluteten Garten. »Hast du Lust, einen Spaziergang mit Biscuit zu machen?«
»Du kannst meine Gedanken lesen, Clementine. Nichts würde ich lieber tun.«
Clementine verbrachte das Wochenende an Marinas Seite, federte die bissigen Bemerkungen der Hyäne ab und machte sich hinter ihrem Rücken gehörig über sie lustig, damit ihre Stiefmutter wenigstens ein bisschen lachte.
Aber sie konnte nichts dagegen tun, dass Celeste ihre Malstunden genoss oder Charles die Angelausflüge mit Grey auf dessen Boot. Und wenn den beiden das Hotel gefiel und sie es kauften, würden sie es komplett entkernen und umgestalten, wie sie es schon mit allen anderen gemacht hatten.
Am Sonntag verbrachten Grey und Charles einige Zeit in der Bibliothek und unterhielten sich über Bücher. Dann schloss sich die Tür, und sie blieben bis mittags dort, ohne dass jemand wusste, worüber sie redeten. Marina reichte es, weshalb sie sich weigerte, zu ihnen zu gehen. Stattdessen saß sie mit Clementine, Rafa und Biscuit in der Küche, trank starken Tee und aß von dem Shortbread, das Celeste nicht einmal kosten wollte. »Ich weiß, dass er Grey ein Angebot macht, das er unmöglich ablehnen kann«, sagte sie und rang ihre Hände.
»Er kann jederzeit
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