Der Zypressengarten
erzählt?«
Ihre Mundwinkel zuckten, als wüsste sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, und sie musste tief Luft holen, um ihre Nerven zu beruhigen. »Du musst mir vertrauen, Schatz, und keine Fragen stellen. Bitte! Es ist eine lange Geschichte, und ich würde nicht einmal an ihn denken, wäre ich nicht verzweifelt. Aber ich bin verzweifelt.« In dem Schweigen, das nun eintrat, fühlte sie, wie etwas tief in ihrem Herzen an ihr zerrte. Ihr wurde bewusst, dass sie schon sehr, sehr lange verzweifelt war, aber erst jetzt, da Vergangenheit und Gegenwart zu kollidieren drohten, den wahren Beweggrund hinter ihrem Plan erkannte – und der war nicht das Polzanze. Vor ihrem inneren Auge erschien die kleine Schuhschachtel oben in ihrem Schrank, und ihr kamen die Tränen.
Grey war entsetzt von ihrem Plan. »Ich will nicht, dass du nach Europa reist und bei einem Mann um Geld bettelst, den ich nicht kenne!«
»Das ist anders, Schatz. Und ich muss nicht betteln.«
Grey zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Ihm gefiel die Vorstellung nicht, dass seine Frau Geheimnisse vor ihm hatte, vor allem nicht, wenn es um Geld ging. Er sah sie an, und in ihren Augen bemerkte er etwas, das ihn umstimmte – dieselbe Sehnsucht, die er sah, wenn er sie nach ihren Albträumen tröstete, und die sie antrieb, am Strand auf und ab zu wandern und stundenlang aufs Meer hinauszustarren. Nun begriff er, dass der Grund für ihre Unruhe in Italien lag und sie deshalb dorthin musste.
»Na gut«, sagte er sanft und nahm ihre Hand. »Aber ich kann nicht mit dir kommen.«
Er brauchte Marina nicht zu erklären, wie unwohl ihm bei dem Gedanken war, dass sie einen Fremden um Hilfe bitten wollte. »Das ist deine Sache, Marina.«
»Ich reise allein hin. Das geht schon.«
Er lächelte sie liebevoll an. Ihr war offensichtlich nicht bewusst, wie zerbrechlich sie aussah. »Schatz, ich halte es für keine gute Idee, dass du alleine fährst. Wie wäre es, wenn du Clemmie mitnimmst … oder Jake?«
»Nein, ehrlich, es macht mir nichts aus.«
»Ich komme mit«, schlug Rafa vor. Marina und Grey guckten ihn verwundert an. Sie hatten beinahe vergessen, dass er da war. »Ich spreche die Sprache«, sagte er achselzuckend. »Und ich bin ein guter Fahrer.«
»Das ist ein sehr freundliches Angebot, Rafa«, sagte Grey und drehte sich wieder zu seiner Frau. »Ich finde, das ist eine vernünftige Lösung. Mir wäre ungleich wohler, wenn ich weiß, dass du jemanden bei dir hast.«
»Also gut, abgemacht«, sagte Marina. Sie lächelte matt, als hätte sie keine Kraft mehr, sich zu sträuben. »Es ist unsere letzte Chance.«
Grey nickte. »Falls es nicht klappt, nehmen wir Charles Reubens Angebot an. Wir können woanders noch einmal von vorn anfangen.«
Doch Marina hörte ihm gar nicht mehr zu. Sie war in Gedanken bereits in Italien und folgte den Spuren ihrer Vergangenheit.
Kurz darauf gingen Clementine und Rafa mit Biscuit oben an den Klippen entlang und redeten über das, was sich eben in der Küche abgespielt hatte. »Was hatte das alles zu bedeuten?«, fragte Clementine.
»Ich habe keine Ahnung, aber es ist bizarr.«
»Wen will sie in Italien besuchen? Einen früheren Liebhaber?«
»Möglich ist alles.«
»Du musst mir unbedingt sofort eine SMS schicken. Ich platze vor Neugier.«
»Er müsste schon ein sehr besonderer früherer Liebhaber sein, dass sie auf solch eine großzügige Unterstützung von ihm hofft.«
»Wer kann so viel Geld einfach mal wegwerfen?« Ihr war bewusst, dass er sie merkwürdig ansah. »Und warum ruft sie ihn nicht an? Wenn er so ein guter Freund ist, wieso ruft sie nicht bei ihm an und fragt ihn nach einem Darlehen?«
»Clementine, es gibt etwas, das ich dir sagen muss«, sagte Rafa plötzlich. Sie sah ihn an und bemerkte, dass er sehr blass geworden war. Sogar seine Lippen wirkten farblos.
»Ist alles in Ordnung?«
»Nein.«
Clementine wollte kein Geständnis von ihm. Falls er Baffles war, würde sie es lieber nicht wissen. Sollte er ruhig heimlich weiterstehlen, solange es ihre Freundschaft nicht beeinträchtigte. Sie mochte die Dinge, wie sie im Moment waren, und ein Geständnis von ihm könnte alles ruinieren.
»Ich war im ausgebauten Stall …«, begann er.
»Ja, ich weiß. Jake hat dich gesehen.«
»Ich habe ihm erzählt, dass ich nach Biscuit suche.«
»Aber das stimmte nicht?«
»Nein.«
»Ich bin sicher, dass Jake sich irrt, was dich betrifft. Mach dir seinetwegen keine Sorgen. Er ist bloß eifersüchtig,
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