Der Zypressengarten
anständiges Bett«, stellte Pat zustimmend fest. »Nichts ist schlimmer, als in einem Hotel nächtigen zu müssen, in dem sie nichts von Betten verstehen.«
»Ich mag hohe Betten«, sagte Jane schüchtern. »Und diese sind sehr hoch.«
»Gehen wir zu Ihrem Zimmer.« Marina trat zurück auf den schmalen Flur.
»Ich male mir gerne aus, wie es hier war, als es noch ein Privathaus war«, sagte Grace. »Vermutlich lebten meine Vorfahren in einem Herrenhaus wie diesem.«
»In diesem Haus wohnten ein Duke und eine Duchess«, erklärte Marina, als sie den Korridor hinunter zum nächsten Zimmer gingen. »Es war ihr Ferienhaus, in dem sie ihre Sommer verbrachten.«
»Wie überaus vornehm«, sagte Grace.
»Die Seeluft war gut für das Asthma der Duchess«, fuhr Marina fort und steckte den Schlüssel ins Schloss von Nummer 11.
»Seeluft ist für alles gut«, sagte Pat. »Es sei denn, man ist ein Möbelstück, versteht sich.«
Jane ging lächelnd in ihr Zimmer und atmete tief ein. Sie war froh, dass sie doch mitgekommen war. Als Erstes öffnete sie die Glasflügeltüren zum Balkon, schritt hinaus in den Sonnenschein und blickte aufs Meer, das sich in tiefem Blau bis zum diesigen Horizont erstreckte. Dann sah sie hinunter zur Rasenfläche vorm Hotel, wo Rafa mit dem Brigadier malte. Der Brigadier bemerkte sie, als er einen kurzen Moment den Blick von der Zeder abwandte, lüftete seinen Hut und nickte ihr höflich zu. Ein wenig überrascht und verlegen, winkte sie ihm zu, ehe sie sich ins sichere Zimmer zurückzog.
»Wie ich sehe, ist Ihr Künstler bei der Arbeit.«
»Ja, er unterrichtet den Brigadier.«
»Ach, das ist er? Meine Augen sind bedauerlicherweise zu schlecht, um auf diese Entfernung jemanden zu erkennen.«
»Sie müssten ihn im letzten Jahr kennengelernt haben«, sagte Marina. »Er kommt jeden Morgen zum Frühstück her. Rafa konnte ihn überreden, ein bisschen zu malen. Ich glaube, es macht ihm viel Freude.«
Sobald sie allein war, öffnete Jane ihren Koffer und nahm ein silbergerahmtes Bild von ihrem verstorbenen Mann heraus. Sie stellte es behutsam auf den Nachttisch, setzte sich aufs Bett und betrachtete es.
Pat schritt in Nummer 12. »Ganz prächtig«, sagte sie erfreut und warf ihre klobige braune Handtasche auf den Bettüberwurf. Pat wäre überall glücklich, denn sie war eine praktische, bodenständige Frau und konnte Leute nicht ausstehen, die um alles und jedes einen Aufstand machten. Graces Art duldete sie lediglich, weil sie sich schon so lange kannten und Grace witzig war, auch wenn ihr Humor schnell versiegen konnte, sowie sie es nicht hinreichend bequem hatte.
Englische Internate hatten Pat gelehrt, mit dem zu leben, was sie bekam, und sich nie zu beklagen, egal wie unbehaglich sie sich fühlte. Entbehrung bildete schließlich den Charakter, und Pat schätzte Herausforderungen ebenso sehr wie die Tatsache, dass sie die Einzige in der Gruppe war, die im Angesicht von Widrigkeiten die Entschlossenheit eines Rhinozerosses bewies. In jungen Jahren hatte sie den Eiger bezwungen und wäre mit ihrem Boot um die Welt gesegelt, hätte es nicht vor Australien den Appetit eines weißen Hais angesprochen, wodurch sie genötigt war, Hilfe herbeizufunken und den Törn abzubrechen.
Inzwischen war sie in den Achtzigern, und ihr Leben verlief ihn berechenbareren Bahnen. Sie hatte ihren Stab an ihren jüngsten Enkelsohn weitergegeben, der heute in den Dreißigern war und gerade auf halbem Weg den Kilimandscharo hinauf. Sie ging zum Fenster und bewunderte die Aussicht. Das Meer weckte in ihr verlässlich eine tiefe Sehnsucht, in See zu stechen.
Marina hatte sich das Beste für den Schluss aufgespart: Mrs Delennor in die Duchess-Suite am Ende des Korridors zu führen. Grace war angemessen entzückt, heraufgestuft worden zu sein. Nun hatte sie nicht nur Ausblick auf den Garten und das Meer dahinter, sondern auch ein sehr schön gedrechseltes Himmelbett – das Originalbett der Duchess –, 1814 gebaut und über die Generationen weitergereicht, bis es schließlich mit dem Haus und seinen Erinnerungen verkauft wurde. Marina wusste, wie schwierig Mrs Delennor sein konnte, und hatte sich besondere Mühe gegeben, sie zufriedenzustellen. Im Nachhinein hätte Mrs Meister diese Suite bekommen sollen, nach dem, was sie durchgemacht hatte, aber Mrs Delennor würde sich am ehesten beschweren, und das wollte Marina um jeden Preis vermeiden. »Très jolie«, sagte Grace, wobei sie nicht einmal versuchte, einen
Weitere Kostenlose Bücher