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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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gesessen und sich bei Kerzenlicht unterhalten, bis das Wachs fast vollständig heruntergebrannt war. Er hatte ihr mehr von seinem Vater erzählt, den er schrecklich vermisste, und von seiner Kindheit. Clementine fühlte sich geschmeichelt, weil er so offen mit ihr redete, als wäre sie seine Vertraute. Sie teilten schon die geheime Kirche, das Haus, das Gott vergessen hatte, und die verborgene Bucht. Als sie aufstanden, um ins Bett zu gehen, erwartete sie beinahe, dass er sie küsste. Was er nicht tat. Er hatte gelächelt, ihr eine gute Nacht gewünscht und sie mit Bill, dem Nachtportier, in der Diele stehen gelassen.
    Sie schwebte hinüber zum Stallblock, den Kopf voller wunderbarer Fantasien und angetrieben von einer kribbelnden Leichtigkeit. Sie hatte gesummt, als sie ihr Bad nahm, getanzt, während sie sich abtrocknete, und gelacht, als sie sich mit einer Lotion eincremte, die sie vor längerer Zeit gekauft, aber noch nie benutzt hatte. Anschließend war sie seufzend unter die Bettdecken geschlüpft und sich seit sehr langer Zeit – wie lange, wusste sie nicht mal mehr – erstmals wieder auf den nächsten Morgen gefreut.
    Bevor sie in ihrem Mini zur Arbeit brauste, hatte sie Rafa gesehen. Sie waren sich in der Hotelhalle begegnet (nicht dass sie dort etwas verloren gehabt hätte), und er schlug vor, dass sie nach der Arbeit ein wenig mit dem Boot rausfuhren. Die Aussicht auf eine Bootsfahrt mit ihm hatte sie den ganzen Weg bis Dawcomb bei bester Laune gehalten. Sie fuhr die engen Straßen entlang, vorbei an grünen Hecken und Schlehdorn, dessen dichte weiße Blüten wie Schnee aussahen. Sie bemerkte die kleinen Vögel, die in die Hecken tauchten und wieder herausflatterten, und die Möwen, die ihre Kreise am Himmel zogen. Pures Glück flutete ihr Herz, als sie hie und da das Meer sah. Ja, sie nahm all die Schönheit um sich herum auf und fragte sich, warum ihr vorher nichts davon aufgefallen war.
    Sylvia stand in einem engen roten Rock und einer Seidenbluse, die am Hals zu einer extravaganten Schleife gebunden war, an ihrem Schreibtisch. Sie war mit einem Lilienstrauß beschäftigt, bei dem sie die staubbedeckten Stempel mit einer Schere herausknipste. Als sie Clementine sah, hielt sie erschrocken inne.
    »Oh mein Gott, was ist mit dir los?«
    »Nichts«, antwortete Clementine und zog betont ruhig ihre Jacke aus.
    Sylvia betrachtete sie prüfend. »Mal überlegen. Du hast dich heute richtig schick gemacht, also muss irgendwas los sein. Normalerweise siehst du wie ein Sack Kartoffeln aus.«
    »Danke, sehr schmeichelhaft.«
    »Also, verrätst du mir, was es ist, oder muss ich dich foltern?« Sie legte eine Hand an ihre runde Hüfte. »Die Blumen sind übrigens von Freddie, nur falls es dich interessiert.«
    »Tut es nicht.«
    »Ich würde ja am liebsten denken, dass Joe damit zu tun hat, aber das hat er nicht, oder?«
    »Nein«, sagte Clementine, setzte sich und schaltete ihren Computer an. »Erinnerst du dich an den Argentinier, den ich im Black Bean Coffee Shop getroffen habe?«
    »Ja. Sag nicht, er ist wieder da!«
    »Er ist der Gastkünstler im Hotel.«
    »Ist nicht wahr!« Sylvia legte ihre Schere ab, hockte sich auf Clementines Schreibtischkante, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. »Erzähl!«
    »Er ist gestern angekommen.«
    »Und du hast schon mit ihm geschlafen.«
    »Nein.« Clementine winkte ab. »Selbstverständlich nicht.«
    »Armer Joe. Er wird am Boden sein. Hast du es ihm erzählt?«
    »Da gibt’s nichts zu erzählen.«
    »Joe denkt, du bist die Eine.« Sie schnaubte missmutig. »Der Ärmste, was für ein Idiot.«
    »Tja, die bin ich nicht und war ich auch nie.«
    »Freddie ist auch nicht der Eine.« Sie blickte auf ihre roten Fingernägel. »Tss, aber er will es nicht wahrhaben.«
    »Hat er dir deshalb die Blumen geschickt?«
    »Er merkt, dass es zu Ende geht. Was mal wieder beweist, behandel ihn schlecht, und er will dich erst recht. Meine Mutter würde sagen, dass eine Frau ihr Leben lang tun muss, als wäre sie nicht leicht zu haben.«
    »Wie anstregend.«
    »Der Fluch der Weiblichkeit.«
    »Einer von ihnen«, korrigierte Clementine.
    »Was sind die anderen?«
    »Gebären.«
    »Nein, denk an das schnuckelige kleine Ding, das du am Ende kriegst.«
    »Willst du Kinder, Sylvia?«
    »Oh ja, und die werde ich auch haben. Deshalb lasse ich Freddie ja hin und wieder ein bisschen schmoren, wie ein gutes Brathähnchen sozusagen.«
    »Ich meine doch nicht mit Freddie. Er hat

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