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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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Besuch hier verändert. Ihre Welt war in der Zwischenzeit aus den Fugen geraten, denn ihr Ehemann Henrik starb unerwartet im Alter von achtundsechzig Jahren an einem Herzinfarkt am Bridge-Tisch. Jane sah zu den beiden Pagen, die mit dem Gepäck ihrer Gruppe hereinkamen, und dachte, wie jung die beiden waren. Sie hatten noch ihr ganzes Leben vor sich. Welche Freuden und welches Leid hielt es wohl für sie bereit?
    In dem Moment betrat Marina die Diele, um sie zu begrüßen. Alle vier Damen erkannten sie auf Anhieb wieder.
    »Ah, hallo«, sagte Grace und streckte ihr die Hand entgegen. An ihrem knochigen Ringfinger prangte ein riesiger Diamant.
    »Willkommen. Schön, Sie wiederzusehen.« Marina lächelte strahlend. »Ich bin so froh, dass Sie hier sind. Unser Hauskünstler unterrichtet bereits den ersten Schüler draußen auf dem Rasen.«
    »Paul?«, fragte Veronica. »Er war wunderbar, nicht? Was für ein vornehmer Mann. Meinst du nicht auch, Pat?«
    »Leider konnte Paul in diesem Jahr nicht wieder zu uns kommen. Wir haben einen neuen Künstler«, erklärte Marina.
    »Ich hoffe, er ist jung und hübsch«, sagte Grace und kniff die Augen ein wenig zusammen. Sie waren blassblau wie Topaz und das Einzige, was von ihrem einst wunderschönen Gesicht übrig war, denn Botox und Liftings hatten zerstört, womit die Natur sie so großzügig segnete.
    »Oh, er ist sehr gut aussehend«, beteuerte Marina. »Er ist Argentinier.«
    »Ah, von da unten «, bemerkte Grace abfällig.
    »Wie exotisch«, schwärmte hingegen Veronica. »Die Argentinier sind wunderschöne Menschen, findest du nicht auch, Pat?«
    »Sue McCain hatte mal eine heiße Affäre mit einem Polospieler, damals in den Fünfzigern. Sie kam nie drüber weg.«
    »Hallo, Mrs Meister«, sagte Marina, der wieder einfiel, wie leicht die scheue und stille Jane übersehen wurde. Marina bemerkte, dass sie im letzten Jahr sehr gealtert war, dabei hatte sie von den vier Damen die jugendlichste Haut gehabt. Heute jedoch sah sie aus, als wäre sie grau gespült worden.
    »Es ist so schön, wieder hier zu sein, meine Liebe. Ich habe solch nette Erinnerungen an unseren Aufenthalt im letzten Sommer.«
    »Ich habe mir erlaubt, Ihnen wieder dieselben Zimmer zuzuteilen.«
    »Also die sind wirklich sehr hübsch«, sagte Grace. »Vor allem die handgemalten Tapeten. Ich habe versucht, so etwas für das Haus in Cape Cod zu kriegen, doch nichts kommt denen auch nur nahe.«
    »Wie nett von Ihnen, sich solche Mühe zu machen«, sagte Jane lächelnd zu Marina.
    Marina begleitete sie nach oben zu ihren Zimmern. Als sie die Treppe hinaufgingen, eilte Grace neben Marina und flüsterte ihr zischelnd zu: »Janes armer Mann ist letzten Herbst gestorben. Sie wollte eigentlich nicht herkommen, aber wir konnten sie überzeugen, dass es gut für sie ist, ein bisschen rauszukommen. Es hat sie schlimm getroffen, die Arme.«
    »Wie traurig«, sagte Marina. Nun verstand sie, warum Jane noch scheuer und stiller als zuvor war.
    »Mein Ehemann hingegen lebt und lebt. Er war alt, als ich ihn geheiratet habe, und jetzt ist er uralt und hält mit eiserner Entschlossenheit durch. Es liegt an dem Pioniergeist, den er von seinen Vorfahren geerbt hat. Ich besitze den nicht. Meine Vorfahren waren verwöhnte britische Adlige, vollkommen antriebslos. Ich hoffe, der liebe Gott holt mich in dem Moment zu sich, in dem mein Gesicht anfängt, mein Alter zu verraten.«
    Marina öffnete die Tür von Nummer 10. »Dies ist Mrs Leppleys Zimmer«, sagte sie und genoss die bewundernden Ausrufe der Damen. Veronica tänzelte leichtfüßig über den Holzboden, sodass ihr langer Folklorerock um ihren schmalen Körper und die zarten Knöchel schwang, als hätte er ein Eigenleben entwickelt. Da sie den Großteil ihrer Jugend Ballett getanzt hatte, konnte sie bis heute keine flachen Schuhe tragen, und so steckten ihre kleinen Füße in maßgefertigten Espadrilles mit Keilabsatz, die sie ein wenig größer machten, vor allem aber bequemer für sie waren. »Es ist bezaubernd«, rief sie aus und wies mit der ganzen Anmut einer ehemaligen Tänzerin auf die Vögel und Schmetterlinge an den Wänden. »Sogar noch bezaubernder, als ich es in Erinnerung hatte. Und das Bett, hach, das Bett! So hoch, dass ich mit Anlauf hineinspringen muss.« Sie hüpfte mühelos auf die Matratze und kicherte wie ein junges Mädchen.
    »Wenigstens kannst du springen«, sagte Grace. »Wenn ich springe, breche ich durch, löchrig wie meine Knochen sind.«
    »Es ist ein

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