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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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französischen Akzent nachzuahmen.
    »Freut mich, dass es Ihnen gefällt. Es ist eine ganz besondere Suite.«
    Grace drapierte ihren Kaschmirmantel auf der Rückenlehne des Stuhls. »Die anderen werden schrecklich neidisch sein. Ausgenommen Pat natürlich, der kein Funken Neid in den Knochen steckt – den starken Knochen einer sehr stämmigen Kreatur, wohlgemerkt.« Sie kicherte. »Ein mächtig hübsches Zimmer, vielen Dank.«
    Es dauerte nicht lange, bis die Damen im Garten erschienen, um den Künstler kennenzulernen. Der Brigadier hatte die Ruhe genossen und freute sich über seine Fortschritte beim Malen, weshalb ihn die Invasion der vier Frauen alles andere als begeisterte. Verdrossen guckte er zu, wie die alten Frauen den Argentinier gleich den besungenen Motten umschwärmten, und stand grummelnd auf, weil er schließlich nicht unhöflich sein wollte. Er entsann sich vage, sie im Jahr zuvor beim Frühstück gesehen zu haben, was vollkommen in Ordnung war, weil sie Abstand gewahrt hatten. Jetzt jedoch sattelten sie zum Angriff, und das gefiel ihm nicht.
    Rafa war charmant und lächelte jede der vier Frauen an, als wäre sie jung und schön. Die vier strahlten vor Glück, sogar Pat, die erklärtermaßen nichts alberner fand, als Schmeicheleien auf den Leim zu gehen.
    »Sue McCain würde ihn ganz sicher mögen«, flüsterte sie Veronica zu.
    »Er ist sehr attraktiv«, stimmte Veronica ihr zu. »Da möchte man wieder zwanzig sein. In Momenten wie diesem fühlt sich meine alte Hülle falsch an, als hätte ich sie nicht anziehen sollen. Sie passt einfach nicht zu dem, was ich drinnen empfinde. Kennst du das Gefühl, Pat?«
    »Oh ja, und ob. Mein Kopf sagt mir, dass ich noch alles machen kann, was ich früher gemacht habe, und dann fange ich schon an zu japsen, wenn ich die Treppe raufgehe. Aber ich darf nicht klagen. Ich habe es ziemlich fit bis hierher geschafft und kann noch einiges tun, beispielsweise eine Wanderung entlang der Klippen unternehmen. Ja, darauf freue ich mich schon.«
    »Ich kann es gar nicht erwarten, loszupinseln. Seit letztem Jahr habe ich keinen Strich mehr gemalt.«
    »Und das, wo du so talentiert bist.«
    »Mag sein, doch immer hat man irgendwas anderes zu tun, kennst du das auch? Es ist schwer, die Zeit dazu zu finden.«
    »Die muss man sich nehmen. Prioritäten setzen eben.«
    »Nun, jetzt haben wir sieben herrliche Tage, in denen uns nichts vom Malen ablenkt.« Sie grinste zum Künstler. »Ausgenommen unser Lehrer.«
    Jane Meister war stets eine Randfigur gewesen. Auch jetzt stand sie etwas abseits, lauschte den Gesprächen der anderen, ohne sich zu beteiligen. So war es ihr lieber, deshalb überließ sie es den anderen, sich in den Mittelpunkt zu spielen. Veronica war die geborene Schauspielerin, daran gewöhnt, beachtet zu werden und Applaus zu bekommen, und sie hatte sich ihre Begeisterung und ihre leichtfüßige Anmut bis in ihr hohes Alter bewahrt. Pat führte sich immer noch wie die Klassensprecherin und Captain des Lacrosse-Teams auf. Ihr Selbstvertrauen gründete auf eine Jugend mit Pony-Club-Camps und Debütantenbällen, ganz gleich, wie energisch sie beteuerte, dass sie beides höchst unsinnig fand. Nichts brachte sie aus der Ruhe – weder ein scheuendes Pferd noch ein Saal voller Menschen. Pat nahm alles im Leben mit Bravour und stellte sich siegesgewiss jeder Herausforderung.
    Für Grace war es selbstverständlich, dass jeder sie bewunderte. Geschah es nicht, tat sie diejenigen mit einem Schwenken ihrer eleganten Hand ab. Sie war in den obersten Kreisen der amerikanischen Ostküste aufgewachsen und daran gewöhnt, dass sie alles, was sie nicht mittels Charme erreichte, dank ihres enormen Vermögens kaufen konnte. Mit welchem von beidem sie ihre drei Ehemänner gewann, war schwer zu sagen.
    Jane war eine Offizierstochter. Sie wuchs in einer geschlossenen Militärgemeinde in Deutschland auf, begegnete Hendrik und heiratete mit achtzehn. Wäre der Malkurs in Knightsbridge nicht gewesen, zu dem ihre Tochter sie vor acht Jahren überredete, hätten sich die Wege der vier Frauen niemals gekreuzt.
    Jane beobachtete den Künstler. Er war wirklich sehr gut aussehend und sympathisch. Sie sah, wie er über Graces Scherze lachte, und wusste, dass sie eine schöne Zeit mit ihm haben würden. Was den Brigadier anging, war sie sich weniger sicher. Er wirkte recht mürrisch. Nicht dass er unhöflich wäre – ganz im Gegenteil – doch hinter seinen exzellenten Manieren war zu erahnen, dass er

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