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Der Zypressengarten

Der Zypressengarten

Titel: Der Zypressengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Santa Montefiore
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noch Zeit blieb, die Welt zu sehen.«
    »Aber gewiss waren Sie auf dem Kontinent?«
    »Doch, ja, das Übliche: Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Ein oder zwei Wochen hier oder da. Aber ich habe mir nie einen Rucksack umgeschnallt und bin auf blauen Dunst losgezogen. Das würde ich gerne mal machen. Nur habe ich zu viele Verpflichtungen, und vor allem fühle ich mich hier sicher.«
    »Fühlen Sie sich woanders unsicher?«
    Ihr Messer verharrte über der letzten Tomate. »Ja.« Ihre Ehrlichkeit überraschte sie selbst. Sie kannte Rafa noch keine zwei Tage, kaum lange genug, um ihm ihre Ängste anzuvertrauen. Und dennoch war eine Vertrautheit in seinem Blick, ein Verständnis, das ihr Dinge entlockte, über die sie sonst nie sprach.
    »Sie geben sich nicht damit zufrieden, nur an der Oberfläche von anderen zu kratzen, was?«, fragte sie lächelnd.
    »Die menschliche Natur fasziniert mich.« Er grinste verschämt. »Ich kann mich einfach nicht bremsen …«
    »Was zu tun?«
    »Zu suchen.«
    »Und Sie suchen nach etwas in mir?«
    »Ja. Sie haben diesen wunderschönen Ort geschaffen, so ausgesprochen geschmackvoll. Wo kommt das alles her?«
    Sie legte eine Hand auf ihr Herz. »Von hier.«
    Marina stand auf und füllte einen großen Topf mit Wasser. Nachdem sie Salz hineingegeben hatte, stellte sie ihn auf den Herd und schaltete ihn ein.
    »Ich fürchte, ich habe mit meiner Art heute Abend Clementine aufgebracht«, gestand Rafa.
    »Ach ja?«
    »Ich schätze, sie ist sehr wütend auf mich.«
    »Nun, rechnen Sie lieber damit, dass das einige Tage anhält. Wenn Clementine dichtmacht, bleibt die Tür zu ihr lange geschlossen.« Sie goss Olivenöl in eine Bratpfanne und stellte sie auch auf den Herd.
    »Ich mag sie, und ich bereue, was ich gesagt habe.«
    »Was haben Sie denn gesagt?«
    Er zögerte, weil er ungern denselben Fehler ein zweites Mal begehen wollte. »Ich habe ihr schlicht gesagt, sie soll sich von ihrer Vergangenheit nicht ihre Gegenwart ruinieren lassen. Dass nichts jemals schwarz oder weiß ist. Dass sie, je mehr Erfahrungen sie sammelt, umso mehr Weisheit gewinnt, über ihr Leben und die Menschen zu urteilen, die es geprägt haben. Und umso besser die Beweggründe anderer versteht.« Er seufzte. »Ich wollte sie ermuntern, ihre Gefühle einmal außer Acht zu lassen und einige Dinge aus einer Erwachsenenperspektive zu betrachten.«
    Marina wurde sehr ernst. »Sie meinen die Scheidung.«
    »Ja. Es geht mich nichts an, ich weiß, aber wenn ich ein verwundetes Geschöpf sehe, will ich helfen.«
    Überwältigt von Dankbarkeit und Sympathie, hatte Marina auf einmal den Wunsch, seine Schulter zu berühren. Sie klopfte sie sanft. »Das war sehr süß von Ihnen, Rafa. Aber es ist solch ein heikles Thema. An Ihrer Stelle würde ich die Finger davon lassen.«
    »Ja, das ist mir jetzt auch klar.«
    »Wissen Sie, Clementine war drei, als ihre Eltern sich scheiden ließen. Sie erinnert sich nicht einmal, wie das Familienleben vorher war, sondern hat sich ihr eigenes Idealbild zurechtgelegt. Die Wahrheit sah völlig anders aus.« Sie schüttete Rafas gehackte Zwiebeln ins Öl, was ein lautes Zischeln und Rauschen bewirkte. »Allerdings glaube ich nicht, dass das ein echtes Problem ist. Es ist schlicht leichter, anderen Leuten die Schuld zu geben, statt selbst die Verantwortung für die eigenen Schwierigkeiten zu übernehmen.«
    »Stimmt, Erinnerungen an sich sind keine Probleme. Jeder von uns lernt aus der Vergangenheit. Zum Problem werden unsere Erinnerungen nur, wenn wir erlauben, dass sie uns vollkommen einnehmen und unglücklich machen. Dann wird unsere Vergangenheit zu einem Gefängnis.«
    Marina drehte sich zu ihm um. »Und wie kommen wir aus dem wieder raus?«
    »Indem wir uns auf die Gegenwart konzentrieren.«
    Sie wandte sich wieder zum Herd und rührte in den Tomaten und Zwiebeln. »Indem wir uns auf die Gegenwart konzentrieren«, wiederholte sie nachdenklich. »Indem ich mich auf mein Zuhause konzentriere.«
    Als sie die Spaghetti ins Sieb goss, betrat Grey das Haus. »Was riecht hier so lecker?«, rief er aus der Diele, wo er sein Buch auf den Tisch legte.
    »Spaghetti«, antwortete Marina aus der Küche. »Ich habe Rafa eingeladen, um ihm eine Pause von den Damen zu gönnen.«
    »Hervorragend.« Grey kam in die Küche und klopfte Rafa auf die Schulter. »Wie schön, dass Marina Ihnen schon ein Glas Wein eingeschenkt hat. Der Pegel kann aber Nachschub vertragen, was?« Er füllte dem jungen Mann nach, ehe

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