Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmass
querido« zum Verlieben ist, haben sie nie in Zweifel gezogen.
In Italien bezeichnet sich eine Stadt, wenn es ihr an Selbstvertrauen gebricht, bei öffentlichen Gelegenheiten als »nobilissima città«, also eine Stadt von ältestem -sprich antikem - Adel. Es liegt auf der Hand, daß alle italienischen Städte, so wenige Jahrhunderte sie auch erst alt sein mögen (außer den erst vor ein paar Jahrzehnten gebauten), antiken Ursprungs sind, aber die komplexbeladenen haben das Bedürfnis, es ausdrücklich zu sagen. Im allgemeinen jedoch - und dies gilt überall in der Welt -erkennt man mangelndes Selbstvertrauen daran, daß einem sofort bei der Ankunft die Frage gestellt wird: »Was denken Sie über unsere Stadt?«
Mir ist es passiert, daß ich bei der Ankunft in sehr komplexbeladenen Städten auf dem Flugplatz von Journalisten umringt wurde, und die erste Frage war: »Kommen Sie zum erstenmal her? Was denken Sie über unsere Stadt?«
Wenn ich dann zu bedenken gab, daß ich noch gar nichts über sie denken könne, weil ich sie ja noch gar nicht gesehen hatte, insistierten sie: »Ja, aber was haben Sie zu finden erwartet, welches Bild hatten sie von ihr?« Sie wissen genau, daß man, wenn man kein Provokateur ist, eine höfliche Antwort geben wird. Am besten, man sagt, man habe schon viel über diese faszinierende und (wenn man ehrlich ist) kontrastreiche Stadt gehört. Dann geben sie erstmal Ruhe, aber solange man da ist, fragen sie immer wieder danach.
In manchen Städten widersprechen sie der höflichen Antwort. Sie wetteifern miteinander, dem Besucher zu sagen, daß die Gegensätze gewaltig, die Probleme dramatisch und ungelöst seien. Man hüte sich, auf die Provokation einzugehen und zu antworten, das sei wahr. Sie werden beleidigt sein. Manchmal wird einem die schicksalhafte Frage auch in Städten gestellt, die für ihre Effizienz und ihre Schönheit berühmt sind. Dann entdeckt man, daß die Stadt unter ihrer Opulenz einen Mangel an Identitätsbewußtsein verbirgt.
Es gibt auch Städte, die ihr Selbstvertrauen wiedergewinnen. Neapel war bekannt für seine Mischung aus leidendem Stolz und triumphierender Selbstbeschimpfung. Einer meiner Freunde sagte kürzlich zu dem Taxifahrer, der ihn zum Flughafen bringen sollte, sie würden vielleicht wegen des Verkehrs zu spät ankommen. Der Taxifahrer antwortete stolz (ohne zu leiden), der Verkehr funktioniere jetzt sehr gut. Kommentar meines Freundes: Zum ersten Mal in seinem Leben (und in der ganzen Welt) sei er einem Taxifahrer begegnet, der gut von der Stadtverwaltung sprach.
In anderen Fällen beginnt eine Stadt, die früher sehr selbstsicher war, sich langsam unwohl zu fühlen. Man achte darauf, ob man gefragt wird, was man über sie denke. Es empfiehlt sich, eine begeisterte Antwort zu geben, aber man schaue sich um und suche nach Gründen für ein Unbehagen.
1996
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Die faschistische Jugendorganisation, ähnlich der Hitlerjugend (A. d. Ü.).
Bücher zum Nachschlagen und Bücher zum Lesen
Zerstreut herumzappend bin ich vor ein paar Tagen auf einen Kanal gestoßen, in dem eine Art lange Vorschau auf eine demnächst kommende Sendung zu sehen war. Ich glaube, es war in Rete Quattro oder Cinque, aber ich bin mir nicht sicher (was wieder einmal bestätigt, wie ideologisch wehrlos der Fernsehzuschauer im Vergleich zum Zeitungsleser ist, der immer genau weiß, wer da zu ihm spricht). Es wurden die Wunder der CD-ROM angepriesen, das heißt jener hypermedialen Scheiben, die uns das Äquivalent eines ganzen Konversationslexikons geben können, mit Farben, Tönen und der Möglichkeit zu blitzschnellen Querverweisen und Verbindungen zwischen den einzelnen Themen. Da ich auf diesem Gebiet gerade ein paar Erfahrungen sammle und die Sache kenne, folgte ich der Sendung nur zerstreut. Bis ich auf einmal meinen Namen nennen hörte: Es wurde behauptet, ich verträte die Meinung, diese Scheiben würden eines Tages definitiv die Bücher ersetzen.
Niemand kann verlangen, wenn er nicht paranoisch ist, daß die anderen alles lesen, was er schreibt, aber er kann zumindest hoffen, daß sie ihn nicht das Gegenteil sagen lassen, besonders wenn sie ihn - ungefragt - als Zeugen für etwas anführen. Tatsache ist, daß ich bei jeder Gelegenheit sage und wiederhole, daß die CD-ROM nicht das Buch ersetzen können wird.
Es gibt zwei Arten von Büchern: die zum Nachschlagen und die zum Lesen. Die ersten (der Prototyp ist das Telefonbuch, aber sie gehen bis zum Wörterbuch und
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