Des Abends eisige Stille
seinem Leben heraushalten, ob sie ihn nun mit Telefonnachrichten und E-Mails bombardierte oder sogar unangekündigt in seiner Wohnung auftauchte.
Es gab Besseres, an das er denken konnte.
An diesem Morgen hatte sich eine Galerie in Mayfair mit ihm in Verbindung gesetzt und ihm eine Gemeinschaftsausstellung seiner Zeichnungen vorgeschlagen. Der andere Künstler sollte ein Mann sein, dessen Arbeiten Simon bewunderte. Der Anruf war eine vollkommene Überraschung gewesen und hatte ihm ein Gefühl vermittelt, wie er es nur selten im Leben empfunden hatte; fünf Minuten lang war alles andere in die Ferne gerückt. Nichts war ihm je so wichtig erschienen. Wenn er sein Leben ändern könnte … wenn er es sich leisten könnte … würde er es tun?
Ein seltsam wolkiges Band schien sich über ihn zu breiten und nicht nur zwei Drittel von dem, was er tat, sondern sogar das, was er war, auszulöschen. Keine Kollegen. Keine Herausforderungen. Keine Befriedigung, wenn ein Fall gelöst war. Aber da war auch alles andere. Seine Wohnung. Seine Zeichnungen. Reisen, überallhin, für ein halbes Jahr. Er konnte ein Nomade mit einer Segeltuchtasche werden.
Die Tür öffnete sich.
»Hallo, Si. Hab dein Auto aus dem Schlafzimmerfenster gesehen. Hier, nimm ihn mal kurz …« Cat hielt das Baby unter dem Arm wie eine aufgerollte Zeitung, die sie Simon in den Schoß fallen ließ.
»Hallo, Felix.«
»Richte ihn auf, sonst spuckt er dich voll.«
»Danke.«
»Er hat den ganzen Tag gespuckt. Hier …« Sie warf ihm ein sauberes Küchenhandtuch zu. »Für alle Fälle. Ich hab geschlafen.«
»Dachte ich mir … schlafen, wenn man kann. Was für ein Leben.«
»Ich finde es herrlich, Si. Wenn es nicht das Problem gäbe, dass Chris vor Erschöpfung auf dem Zahnfleisch kriecht, könnte ich mir ernsthaft vorstellen, nicht mehr als Ärztin zu arbeiten … nur hin und wieder mal eine Sprechstunde und Vertretungen. Aber wie soll das gehen? Ich werde wahrscheinlich nur allzu bald wieder Sprechstunden übernehmen, ich kann nicht zulassen, dass Chris so weitermacht.«
Simon lehnte den Kopf zurück und legte Felix in seine Armbeuge. Der Kopf des Babys sackte zur Seite. Er hörte dem Geplauder seiner Schwester zu, während sie die Spülmaschine ausräumte und das Geschirr wegstellte, sich ein Glas Wasser einschenkte, Mephisto durch das Fenster hinausließ.
Plötzlich sehnte er sich nach einer Küche voller Wärme und Tee und einer Katze und einem Baby, voller Glück und zufriedenen Alltagsgeräuschen. Voller Liebe. Die Erinnerung an Freya durchfuhr ihn.
»Alles in Ordnung?«
»Ja. Nein.«
»Warte mal kurz, bis ich das hier in die Waschmaschine gestopft habe …« Cat griff nach dem Wäschekorb und ging hinaus in die Spülküche. Felix öffnete die Augen und übergab sich im selben Moment. Simon griff nach dem Handtuch und wischte sie beide ab.
»O Gott. Ich glaube nicht, dass er krank ist. Ich hab ein Curry gegessen, und das bekommt ihm nicht. Man vergisst so was. Erstaunlich, aber man vergisst es.«
Sie trug Felix zur Spüle, wischte sein Gesicht sanft mit einem feuchten Papiertuch ab und brachte ihn wieder zu Simon. »Soll ich dich auch abwischen?« Cat setzte sich aufs Sofa.
Er hatte gedacht, er sei hergekommen, um mit ihr über Marilyn Angus zu reden und sich Cats Rat anzuhören, und wenn das getan war, ihr von der Galerie zu erzählen.
Er hatte gedacht, das wären die Dinge, die ihn am meisten bewegten.
Er hatte nicht erwartet, sich sagen zu hören: »Ich möchte dich etwas wegen Martha fragen.«
»Martha?« Cat hob die Augenbrauen.
»Es beschäftigt mich.«
»Was denn?«
Er seufzte und bettete Felix vorsichtig um, doch die Übelkeit schien überstanden zu sein. »Bei meiner Rückkehr aus Venedig war sie ziemlich krank. Als Dad mich dort anrief, sagte er, wenn ich nicht nach Hause käme, würde ich sie nicht mehr lebend wiedersehen, oder so was in der Art.«
»Ja. Sie war sehr krank.«
»Aber sie ist nicht gestorben.«
»Nein. Sie hat Antibiotika bekommen, die sie vorher noch nie gehabt hatte, ein neues Medikament, und sie hat darauf reagiert. So etwas passiert. Niemand hatte damit gerechnet, aber es hat gewirkt.«
»Ja. Doch dann ist sie ganz ohne Vorwarnung gestorben, im Schlaf … als es ihr besserging. Das verunsichert mich.«
»Na gut, ich erklär’s dir. Du weißt, dass jeder, der von Geburt an so schwer behindert ist, für gewöhnlich alle möglichen Schwächen und Defekte hat … Es können verschiedene
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