Des Abends eisige Stille
los?«
Nathan klang merkwürdig – entschuldigend? Verlegen?
»Tut mir leid … bloß … Sie sollten besser herkommen.«
»Ich war auf dem Weg zu Mrs. Angus.«
»Ja, ich weiß … nur, vielleicht sollten Sie vorher doch erst herkommen, okay?«
»Hier ist Simon Serrailler. Ich bin nicht da. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. Danke.«
»Du bist nie da, nicht wahr? Nicht für mich. Oder du bist vielleicht da und hörst zu und nimmst nicht ab … Simon? Wenn du da bist, nimm bitte ab, Liebling … Na gut, ob du nun da bist oder nicht, ich muss irgendwann mit dir reden. Ich vermisse dich so sehr. Ich kann es nicht ertragen. Ich verstehe es nicht. Was ist zwischen uns schiefgelaufen? Liebster Simon, bitte, bitte ruf mich an. Ich liebe dich.«
»Wir haben einen Anruf bekommen«, sagte Nathan. Er hatte einen Gesichtsausdruck, den Simon nicht ergründen konnte. Nathan hatte die Tür zu Simons Zimmer geschlossen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. »Von einem Anwohner. Vor etwa einer halben Stunde.«
»Und?«
»Der Mann sagt, er hätte um die fragliche Zeit ein Auto oben in der Nähe von Gardale gesehen … Sagt, er wäre nicht weit vom Hylam Peak gewesen, auf dem Parkplatz. Er meinte …«
»Ach, du lieber Himmel.«
»Chef …«
»Das war meins. Er hat mein Auto dort oben stehen sehen.«
»Ja … es stimmt mit Ihrem Autokennzeichen überein, nur hab ich gesagt …«
»Verdammt, das hatte ich vergessen.«
Aber jetzt fiel es ihm wieder ein. Wie er im Gras gelegen hatte, während die Sonne über den Peak jagte und die Schafe blökten. Und dann der Hubschrauber, der seinen Schatten geworfen hatte, und die Schafe, die verängstigt den Hügel hinauf geflohen waren. Simon wusste inzwischen, dass der Hubschrauber dem amerikanischen Millionär gehörte, der Seaton Vaux gekauft hatte.
»Da war ein Motorradfahrer. Er hat mich mit zurück zu meinem Auto genommen.«
»Ah ja.«
Simon setzte sich an seinen Schreibtisch. »Könnten Sie uns Kaffee holen? Wir müssen das klären.«
»Geht klar, Chef.«
»Sie brauchen nicht erst über die Straße zu gehen, das Kantinenzeug reicht. Und besorgen Sie den Wortlaut des Anrufs.«
Er saß ganz still, nachdem Nathan hinausgegangen war, die Augen geschlossen, die Hände hinter dem Kopf, setzte den Nachmittag zusammen, rief sich jedes Detail seines Spaziergangs in Erinnerung. Martha. Er war losgegangen, nachdem er sie im Krankenhaus besucht und befürchtet hatte, es würde das letzte Mal sein. Er hatte sich freilaufen und allein sein wollen.
Nathan kam zurück und stellte zwei Plastikbecher mit Kantinenkaffee ab. Simon hatte bereits ein Dokument auf seinem Laptop geöffnet.
»Ich schreibe es als offiziellen Bericht. Das Datum und die Zeit habe ich. Nachdem ich mein Auto auf dem öffentlichen Parkplatz abgestellt hatte, bin ich über den Peak in Richtung Gardale gegangen. Ich wollte in die Schlucht hinunter, aber es gab einen Regenguss – es wäre zu riskant gewesen. Ich war auf dem Rückweg, als ein Motorrad aus dem Nichts auftauchte. Der Fahrer hat mich mitgenommen und bei meinem Auto abgesetzt. Ich habe niemanden sonst gesehen … Auf dem Parkplatz stand kein anderes Auto, und mir ist unterwegs kein Wanderer begegnet.«
»Das ist überhaupt kein Problem, Chef, das wissen Sie. Ich dachte bloß, Sie sollten es sofort erfahren.«
»Danke. Sie hatten recht.« Simon trank einen Schluck von dem Pulverkaffee. »Ich weiß jetzt nicht, ob es gut oder schlecht war, nicht in die Schlucht zu gehen. Ich hätte etwas entdecken können. Zu dumm.«
»Schwer zu sagen, nicht wahr?«
»Ja. Ist sonst noch was reingekommen?«
»Das halbe verdammte Land ruft seit der Rundfunkdurchsage an … alles nicht zu verwerten.«
»Und kein vermisstes Mädchen?«
»Nein. Sie suchen in HOLMES , aber bisher ohne Ergebnis. Ist, als wär’s jemandes Katze. Die werden ja auch nicht als vermisst gemeldet.«
»Ach, ich weiß nicht. Als ich neu bei der Streifenpolizei war, hatten wir eine Frau, die ihren Kater alle zwei Wochen als vermisst gemeldet hat … Dann tauchte er wieder auf, und sie meldete uns das auch … Dann verschwand er wieder …«
»Du lieber Himmel. Was war denn mit der los?«
»Sie war einsam«, erwiderte Simon.
»Nee, Sie hatte ein Auge auf sie geworfen, Chef.«
»Das auch.«
»Waren Sie bei Mrs. Angus?«
»Ich war auf dem Weg dahin.«
»Entschuldigung. Nur …«
»Oh, raus mit Ihnen, raus mit Ihnen, Nathan, hören Sie auf, sich zu
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