Des Abends eisige Stille
entschuldigen.«
»Geht klar, Chef.«
Simon wandte sich dem Laptop zu und gab das ein, was er einen Bericht genannt hatte, ihm aber wie eine Aussage erschien.
Vierzig Minuten später war er fertig und legte eine Kopie auf Nathans Schreibtisch. Er schickte es auch per E-Mail, zusammen mit einem Erklärungsschreiben, an Paula Devenish. Gleichzeitig rief er seine E-Mails ab.
Liebling. Ich kann nicht aufhören, an Dich zu denken …
Löschen. Er haute auf die Taste, klappte den Laptop zu und eilte hinaus.
[home]
47
M uss ich Sie reinlassen?«
Marilyn Angus hielt die Haustür nur einen Spalt auf und starrte Simon an. Er hatte erwartet, sie nachlässig gekleidet, ungeschminkt, geistesabwesend vorzufinden wie bei seinem letzten Besuch in diesem Haus, aber heute trug sie Lippenstift und eine Silberkette über einem Kaschmirpullover; nichts hätte passiert sein können, wenn sie ihn nicht mit einem derart feindseligen und abweisenden Blick durch den Türspalt betrachtet hätte.
»Ich würde sehr gerne kurz mit Ihnen sprechen, wenn Sie es erlauben.«
Sie zögerte. Vor zwei Tagen hatte sie die Verbindungsbeamtin gebeten zu gehen, hatte sich geweigert, darüber zu diskutieren, hatte Kate einfach fortgeschickt. Abrupt öffnete sie die Tür und ließ Simon stehen, der ihr in die Küche folgte. Marilyn kehrte ihm den Rücken zu. Sie war zwar ordentlich gekleidet, aber etwas an ihr beunruhigte ihn, eine Art Realitätsferne, als stünde sie nicht in Verbindung mit dem, was passiert war.
Er zögerte, setzte sich. Marilyn starrte ihn an, als gehörte er zu einer Spezies, die ihr unbekannt war, doch dann griff sie zum Kessel neben der Spüle und füllte ihn mit Wasser. Ihre Hände zitterten.
»Ich bin besorgt, weil Sie die Verbindungsbeamtin nicht mehr bei sich haben wollten. Falls es Probleme gegeben hat, muss ich das wissen.«
»Mit Kate? Nein. Ich mochte Kate.«
»Sie sind nicht verpflichtet, eine Verbindungsbeamtin hier zu haben, wie Sie wissen, aber wenn Sie hier allein sind …«
»Ich bin nicht allein. Lucy ist hier.«
»Lucy ist zwölf.«
»Mit uns ist alles in Ordnung. Die abschließende gerichtliche Untersuchung von Alans Tod wird übrigens erst später erfolgen. Die erste wurde eröffnet und vertagt.« Sie redete, als ginge es um einen ihrer Mandanten oder einen Fall, über den sie in der Zeitung gelesen hatte.
»Ja. Es tut mir leid – es ist quälend, wenn sich diese Dinge hinziehen.«
»Was halten Sie von dem, was mein Mann getan hat? Wie ist Ihre Ansicht dazu?«
»Mir hat das außerordentlich leidgetan – es …«
»Es war feige. Nicht wahr? Er hat es sich leichtgemacht.«
»Das bezweifle ich, wissen Sie.«
»Ein paar unangenehme Minuten vielleicht … Aber dann die Flucht. Er hat es hinter sich. Und was mache ich? Mein Mann ist tot, und mein Sohn wird vermisst. Ich muss mich um Lucy kümmern. Das ist allerdings schwierig genug. Sie redet nicht. Sie schließt ihre Zimmertür ab. Sie geht allein weg, sie redet mit niemandem in der Schule. Die Sache mit David war schlimm genug, doch jetzt hat sich auch noch ihr Vater umgebracht, und ich habe sie total verloren. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll.«
»Ich finde, Sie sollten zu jemandem gehen … mit jemandem reden. Zusammen mit Lucy. Sie braucht Sie, und Sie müssen eine Möglichkeit finden, sie zu erreichen.«
»Zu irgendeinem Berater?«
»Sie könnten zuerst mit Ihrem Hausarzt sprechen … Chris Deerborn, oder? Ich habe ihn hier gesehen. Er wird Ihnen raten können, an wen Sie sich am besten wenden.«
»Das würde er bestimmt.«
Aus dem elektrischen Kessel stieg Dampf auf. Marilyn schien es nicht wahrzunehmen, also stand Simon auf.
Er schaltete den Kessel ab und öffnete Schränke, fand Becher und eine Kaffeedose, holte Milch aus dem Kühlschrank. Sie schaute ihm zu.
»Wo ist Lucy jetzt, in der Schule?«
»Nehme ich an.«
»Sie wissen es nicht?«
»Ich dachte ja auch, dass David damals den ganzen Tag in der Schule war.«
»Bringen Sie Ihre Tochter zur Schule?«
»Sie fährt mit dem Bus. Zusammen mit ein paar ihrer Freundinnen.«
»Heute Morgen auch?«
»Nehme ich an.«
Simon stellte alles auf den Tisch.
»Ich weiß nicht, wie Sie Ihren Kaffee trinken.«
Marilyn starrte vor sich hin, bewegte sich aber nicht.
»Ich mache mir Sorgen, dass Sie hier tagsüber allein sind und nachts nur mit Lucy. Gibt es jemanden, der bei Ihnen bleiben könnte? Ich verstehe, dass Sie lieber keine Verbindungsbeamtin haben wollen, aber
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