Des Abends eisige Stille
sich allein. In fast jeder Hinsicht.«
Diana lachte.
Ich mag sie eigentlich, dachte Cat. Sie ist nicht wie ich, sie ist alles, worum ich mich bemühe und was ich nie erreichen kann – patent, kühl, gut zurechtgemacht –, aber ich könnte mich mit ihr verstehen … wenn es nicht um Si ginge. Dieses »Wenn« machte es unmöglich. Cat hätte sich nie mit einer Frau gegen Simon verbünden können, und mit dieser schon gar nicht. Ein gelegentliches Treffen in London war genau das Richtige. Mehr nicht.
»Egal, was ich sage, es macht für Sie keinen Unterschied, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich nicht. Ich musste nur mit jemandem über ihn reden. War er schon immer so … verschlossen?«
»Er ist einfach, wie er ist. Für mich ist er völlig in Ordnung, aber ich bin auch seine Schwester. Hören Sie, es macht mir überhaupt nichts aus, dass Sie hergekommen sind, und ich verstehe Sie und fühle mit Ihnen.«
Diana erhob sich. »Aber Sie wollen nicht über Ihren Bruder reden. Na gut.«
»Es tut mir leid.«
»Ich wollte mich ihm durch meinen Besuch hier näher fühlen. Kommt er?«
»Was, ob er hierherkommt? Ja. Er taucht einfach auf. Aber im Moment haben sie alle Hände voll mit dem Fall des vermissten Jungen zu tun. Er hat kaum Zeit für irgendwas anderes.«
»Haben Sie ein Foto von ihm?«
»Sie nicht?«
»Nein.«
»Dann lassen Sie es so. Je weniger Erinnerungen, desto besser.«
Ein kleines Schweigen entstand.
Gott, dachte Cat, ich komme mir vor, als würde ich eine neurotische Patientin entlassen.
Als sie zur Haustür gingen, hielt Chris’ Auto gerade, und Sam und Hannah sprangen aus den hinteren Türen und blieben wie angewurzelt stehen.
»Hallo. Ich bin Diana.«
Die beiden huschten wie Mäuse ins Haus und kicherten.
Sie ging zu Chris und streckte die Hand aus. »Ich bin Diana Mason. Doch ich will gerade gehen. Sie sind Chris?«
»Ja. Aber gehen Sie nicht meinet …«
»Ich gehe nicht Ihretwegen, ich gehe aus eigenen Stücken. Vielen Dank, Cat. Mehr, als ich sagen kann.« Und damit rauschte sie zu ihrem Auto und fuhr weg, ohne zurückzuschauen.
Cat trat zu Chris und schloss ihn in die Arme. »He, wie schön. Ich dachte, die Percys wären heute mit dem Fahren dran?«
»Waren sie auch, aber die Geburtsvorbereitung wurde abgesagt – beide Hebammen hatten Magenverstimmung. Also hab ich die Percy-Gören und unsere Gören eingesammelt und … Wer, zum Teufel, war das?«
Er ging ins Haus, den Arm um Cats Schultern gelegt.
»Simons Londoner Lady.«
»Schick. Alt.«
»Verzweifelt.«
»Tränen?«
Chris legte die Hand an die Teekanne, leerte sie und setzte Wasser für frischen auf.
»Ja. Überhaupt kein Schamgefühl. Sie ist verrückt nach ihm, und da sie ihn jetzt nicht mehr haben kann, ist das alles natürlich noch viel schlimmer.«
»Wir haben leicht lachen.«
»Eines Tages erwürge ich meinen Bruder. Ich hab es satt, dass er ständig nette Frauen anzieht und dann von sich stößt.«
»Eines Tages wird er die Quittung bekommen. Eines Tages …«
»Bleibst du zu Hause?«
»Ich hoffe. Dick übernimmt jetzt das eine oder andere, und der Rest sollte über den ärztlichen Bereitschaftsdienst laufen.«
Er sah hinunter auf seinen schlafenden Sohn. Aus dem Spielzimmer kamen die kreischenden Laute eines amerikanischen Zeichentrickfilms, den Sam und Hannah nicht anschauen durften. Cat verharrte auf ihrem Weg, ihn abzuschalten. »Ich liebe dich«, sagte sie.
Chris lächelte.
Das ist es, dachte sie und blickte sich in der Küche um. Das ist es, was sie mit Simon haben möchte. Was eine Menge Menschen haben möchten.
»Ihr zwei. Wie oft muss ich euch noch sagen …«
Chris Deerborn goss sich eine Tasse Tee ein, nahm sie mit hinüber zum Sofa, griff nach der Zeitung und schlief sofort ein. Mephisto sprang von der Fensterbank und legte sich auf Chris’ Bauch.
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55
M ondlicht fiel durch das lange, schmale Fenster auf die Treppe. In der Eingangshalle bildete es rombenförmige Muster auf dem Boden.
Sie schlüpfte durch das Haus wie ein zerbrechlicher kleiner Geist, ohne ein Geräusch zu machen.
Marilyn Angus schlief. Sie ging vor neun Uhr ins Bett und erwachte oft erst nach neun am nächsten Morgen. Lucy stand allein auf, zog sich an und verließ das Haus. Sie ging zum Schulbus an der Ecke. Immer waren Freundinnen da. Die Freundinnen kümmerten sich jetzt um sie.
Erst nachdem sie die Küchentür geschlossen hatte, schaltete sie das Licht an. Die weißblauen Röhren schimmerten, als wären
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