Des Abends eisige Stille
aus dem Norden Englands, wo sie doppelt so viel essen wie wir hier.«
Für eines sorgte Simon – dass sie möglichst weit von dort entfernt saßen, wo er mit Freya gesessen hatte. Er fühlte sich nicht unwohl oder bedrückt, wieder hier zu sein, er fühlte sich zu Hause. Aber trotzdem lenkte er Chapman von den Fenstertischen weg.
Sie bekamen zwei Pints Bitter und die Karte, und Chapman trank die Hälfte seines Glases in einem langen, langsamen, genüsslichen Schluck, bevor er etwas sagte.
»Ah, gut. Also, reden wir über Berufliches oder nicht?«
»Zehn Minuten Berufliches, schlage ich vor, dann vergessen wir es für den Abend.«
»In Ordnung.« Der DCS wartete, bis Simon von seinem eigenen Pint getrunken hatte, dann meinte er: »Ich will Ihnen was sagen, Simon, wir werden uns alles erneut vornehmen, es um- und umdrehen, aber ich schätze, wenn wir das getan haben, blicken wir auf dieselbe Sache wie jetzt.«
»Und die wäre?«
»Der Zufallstäter. Er ist hier durchgefahren … kommt von irgendwo Meilen entfernt. Entweder ist er ein angestellter Fernfahrer oder ein Selbständiger, der kurze Aufträge annimmt, die ihn kreuz und quer durchs Land führen. Wenn es nicht der kleine Angus gewesen wäre, dann wäre es ein anderes Kind gewesen, in fünf oder hundert Meilen Entfernung. Er war innerhalb von zehn Minuten weg.«
Simon drehte sein Bierglas mehrfach in den Fingern um. »Mist.«
»Aye.«
In Simons Jackentasche klingelte das Handy. Zwei oder drei Gäste sahen sich augenblicklich nach ihm um. Er ging hinaus.
»Serrailler.«
»Chef, wo sind Sie?«
»Beim Essen mit DCS Chapman.«
»Tut mir leid, aber Sie werden nicht fertigessen können.«
»Wieso?«
»Das Angus-Mädchen … Lucy. Sie wird vermisst, Chef.«
»O Gott. Okay, ich bin unterwegs.«
Simon ging wieder hinein und berichtete dem DCS , was passiert war. Chapman stand auf.
»Nicht nötig«, sagte Simon. »Essen Sie erst mal, Sie sind davon nicht betroffen.«
»Ich komme trotzdem mit.«
»Verdammt, wir haben kein Auto.«
»Sechs oder sieben Minuten – darauf wird es nicht ankommen. Ihre Beamten sind ja schon vor Ort. Sie müssen Ihre Kräfte einteilen.«
In raschem Tempo gingen sie durch die Stadt zurück.
[home]
57
S teh auf.«
Andy erwachte aus einem Traum von zerquetschten Gliedern und merkte, dass er im Schlaf auf seinem angewinkelten Bein gelegen hatte. Sein Schwager saß am Fußende des Bettes, unrasiert, in Unterhemd und Jeans. Durch die zugezogenen Vorhänge fiel ein Licht wie saure Milch.
»Was steht an?«
»Du stehst an. Hoch mit dir.«
»Okay, okay, reg dich ab, wie spät ist es überhaupt?«
»Spät genug für dich, zu verschwinden. Michelle ist in der Küche.«
»Wohin verschwinden?«
»Mir scheißegal.« Pete knallte die Tür hinter sich zu.
Andy hievte sich aus dem Feldbett und ging ins Bad. Sein Neffe war bereits fort, die Harley-Davidson-Steppdecke hing aus dem Bett wie Innereien.
Als Andy in die Küche kam, waren sie beide da, Pete am Tisch mit einem Riesenteller Würstchen und Speck, Eiern und Bohnen vor sich, Michelle rauchend mit dem Rücken an der Spüle.
»Gut, du kriegst eine Tasse Tee und ein Stück Brot, und das ist alles. Ich denk nicht dran, dir was zu braten. Dann packst du und verschwindest. Ich hab die Schnauze voll. Denkst du, ich will, dass meine Kinder mit einem Knastbruder aufwachsen?«
»Was soll das, ich bin doch schon seit über einem Monat draußen?«
»Ja, und du bist wieder drin, eh wir’s uns versehen. Ich weiß, was passiert ist, ich weiß, dass du für eine Nacht eingelocht warst und auf Kaution entlassen wurdest. Und jetzt reicht’s. Ich kann es nicht mehr ertragen, schon gar nicht mit dem Baby.«
»Welchem Baby?«
»Das ich im Bauch hab.«
»Ich wusste nicht, dass du ein Baby kriegst.«
»Tja, jetzt weißt du’s. Hier.« Sie hielt ihm auf der Messerspitze eine weiße Toastscheibe hin. »Tee ist in der Kanne. Ich will, dass du in einer halben Stunde weg bist.«
»Ich dachte, ich wär dein Bruder.«
»Das hättest du dir früher überlegen sollen.«
»Ich hab für meinen Unterhalt bezahlt.«
»Ja, mit schmutzigem Geld. Nein danke.«
»Wo soll ich denn hin?«
»Auch daran hättest du früher denken sollen.«
»Hör zu …«
»Nein. Du hörst zu, And. Ich will mein Haus zurück, und Matt will sein Zimmer zurück, und ich streite mich nicht mit dir darüber.« Sie stand immer noch an der Spüle, mit teigigem Gesicht und Ringen unter den Augen, die verrieten, dass
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