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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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nicht … Er ist in letzter Zeit nicht in Schwierigkeiten gekommen, ist das nicht ein bisschen dünn?«
    »Natürlich ist es dünn, aber es ist wenigstens etwas. Bis wir was Handfesteres haben, nehmen wir das. Wir können uns nicht leisten, auch nur das Geringste zu ignorieren. Wir stehen im Scheinwerferlicht, und das wird nicht wieder ausgeschaltet, bis David Angus gefunden worden ist. Also los.«

[home]
    16
    C hris Deerborn war gegen neun nach Hause gekommen und hatte eine Viertelstunde später wegen eines Notrufs wieder losfahren müssen. Ihre Praxisvertretung hatte beim ärztlichen Bereitschaftsdienst eine Nachricht hinterlassen, dass sie krank sei.
    »Ärzte sind nie krank. Das geht einfach nicht«, sagte Cat, reichte ihm eine Banane und ein Trinkpäckchen vom Regal. Der Gemüseauflauf würde unten im Herd warm gehalten, solange es sein musste.
    »Wir, meine Liebe, sind die letzte Generation praktischer Ärzte, denen beigebracht wurde, daran zu glauben.«
    Chris küsste sie und ging. »Leg dich ins Bett«, rief er zurück, »du siehst völlig fertig aus.«
    »Ich weiß nicht, warum, ich hab den ganzen Tag nichts getan.«
    Sam und Hannah hatten sich beim Gesichtwaschen und Zähneputzen kaum aufrecht halten können, bevor sie ins Bett gefallen waren. Cat nahm ihr Buch, knipste alle Lichter bis auf das über dem Herd aus, schob den protestierend maunzenden Mephisto aus dem Fenster und ging nach oben.
    Die Kinder hatten sich in ihren üblichen Schlafstellungen zusammengerollt, Hannah mit dem Kopf ordentlich auf dem Arm, Sam ein kleiner, fester Ball, Knie angezogen, die Decke bis fast über dem Kopf. Cat zog sie ein wenig zurück und küsste ihn auf das weiche, braune Haar. Es war unmöglich, dabei nicht an David Angus zu denken. Hannahs Haut fühlte sich kühl an. Sie würde sich die ganze Nacht im Schlaf kaum bewegen. Die beiden waren eine glückliche kleine Einheit. Wie sie wohl auf das Baby reagieren würden, wenn es zur Realität wurde, nicht das seit langem bestehende Versprechen, an dem sie fast das Interesse verloren hatten?
     
    Eine halbe Stunde später rief Chris an. »Ich hab hier eine Anaphylaxie, ein Junge mit einer Erdnussallergie. Ich versuche ihn zu stabilisieren, und jetzt hat auch noch die Tochter der alten Violet Chaundry angerufen. Sie glaubt, ihre Mutter hat einen weiteren Schlaganfall. Es wird also noch länger dauern. Bist du im Bett?«
    »Und schon fast eingeschlafen. Der Auflauf steht unten im Herd.«
    »Ich werd vermutlich keinen Hunger mehr haben. Muss los. Ich liebe dich.«
    Cat las ein weiteres Kapitel des Romans von Anita Brookner, bevor sie das Licht ausmachte. Draußen schlug ein Kletterrosenzweig im aufgekommenen Wind gegen das Fenster. Cat fand das Geräusch seltsam beruhigend.
    Eine Bewegung an ihrer Seite weckte sie auf.
    »Mummy …«
    »Sam? Was ist?«
    »Ich will zu dir.«
    »Oh, Herzchen … komm.« Aber Sam hatte sich bereits an sie geschmiegt, die Füße um ihr Beine geschlungen, die Arme hinter ihrem Nacken.
    »Drück nicht auf meinen Bauch.«
    »Ich will nicht wieder einschlafen.«
    »Warum? Schlechte Träume?«
    Er klammerte sich fester an sie. Cat bewegte sich, um bequemer liegen zu können, ohne ihn wegzuschieben.
    »Nat hat gesagt, David Angus ist ermordet worden und liegt in einem tiefen Loch.«
    Cat gelang es, sich über den heißen kleinen Körper ihres Sohnes zu beugen und die Nachttischlampe anzuknipsen. Sein Gesicht war ihrem zugewandt, gerötet und verängstigt.
    »Sam, Nat weiß gar nichts … ganz und gar nichts über David Angus. Hörst du mich? Was er gesagt hat, stimmt nicht …«
    »Er hat’s aber gesagt.«
    »Er weiß es nicht. Niemand weiß es.«
    »Warum?«
    »Weil … er noch nicht nach Hause gekommen ist. Die Polizei hat ihn nicht gefunden.«
    »Warum nicht?«
    »Willst du was trinken?«
    »Wenn die ihn nicht gefunden haben, wissen sie doch nicht, ob er ermordet und in ein Loch geworfen wurde, oder? Haben sie schon in allen Löchern auf der Welt nachgeschaut?«
    »Heiße Schokolade?«
    »Ich will nicht, dass du weggehst.«
    »Dir passiert hier nichts … Das dauert doch nicht lange.«
    »Wenn du nach unten gehst, will ich mit.«
    »Na gut, dann komm.«
    Wie viele kleine Kinder in Lafferton waren zu ihren Eltern ins Bett gekrochen? Wie viele hatten Alpträume wegen David Angus? Wie viele vorlaute kleine Rüpel wie Nat versetzten die anderen mit dämlichen Geschichten in Angst und Schrecken?
    Sam saß auf dem Sofa, mit müden Augen, während

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