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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Abend wieder hier, ich hab’s im Buch gesehen, und Simon war auch regelmäßig hier, bis die Sache mit dem kleinen Jungen passiert ist. Auch Dr. Deerborn wird wiederkommen, sie ist nur hochschwanger, hat das Baby vielleicht schon … Sie ignorieren sie nicht, haben sie nicht bloß irgendwo abgestellt und vergessen.«
    »Das stimmt. Wie Arthurs Frau.«
    »Und sein Sohn und seine Tochter.«
    »Genau. Wenn es nach mir ginge …«
    »Würden sie öffentlich gehängt. Okay, los jetzt. Du bist ein blutrünstiges kleines Monster, Rosa Murphy.«
    Rosa kicherte.
     
    »Guten Morgen, mein Liebling. Wie geht es denn meiner kleinen Miss Sunshine heute Morgen?«
    Shirley fragte sich oft, ob sich Martha nachts überhaupt bewegte.
    Jeden Morgen lag sie auf der rechten Seite, den Blick auf die Tür gerichtet, die Augen offen. Genauso lag sie jetzt da und gab ihr kleines Murmeln von sich, ein Murmeln des Erkennens und, wie Shirley immer dachte, der Freude. Shirley beugte sich hinunter, küsste Martha auf die Stirn und strich ihr das Haar zurück, das über ihr Gesicht gefallen war.
    Martha roch nach Wärme und nassen Windeln.
    Shirley schaute ihr in die Augen. Die Augen blickten zurück, aber was war dort, überlegte sie, dachte an das, was Rosa gesagt hatte, was war wirklich hinter ihnen? Es beunruhigte sie, dass täglich etwas mit Martha passieren könnte und sie dabei keinerlei Mitspracherecht haben würde. Sie konnten sie von hier fortbringen, sie nach Hause holen, irgendwo anders hinschicken, sie Fremden überlassen, und Martha würde genauso daliegen wie jetzt, würde beim Essen und Trinken kleckern, ihre Windeln vollmachen, ihre Geräusche von sich geben, mit den Armen fuchteln. In jedes Gesicht mit diesem unergründlichen, blauäugigen Starren hinaufschauen.
    »Arme kleine Miss Sunshine«, sagte Shirley leise. Vielleicht hatte Rosa recht. Wenn sie im Krankenhaus einfach ruhig eingeschlafen wäre, überwältigt von der Infektion, wenn ihre Lunge aufgegeben hätte, wäre das nicht das Beste für sie gewesen? Eines Tages würde das passieren. Sie hatte schon zwei- oder dreimal an der Schwelle des Todes gestanden. Was hatte sie von der Besserung?
    Rasch richtete Shirley sich auf, entsetzt über sich, erschüttert von ihren eigenen Gedanken.
    »Jesus, Heiland und Erlöser, vergib mir meine Sünde und segne dieses Mädchen. Jesus, Heiland und Erlöser, berühre mich mit deiner Liebe.«
    Martha hob den Arm und drehte ihre Hand hin und her, ihr Blick folgte der Bewegung, und sie lächelte.
    »Also gut, mein Liebling, jetzt auf zu den Vögeln.«
    Shirley löste die Bremse an Marthas Rollstuhl, fuhr sie aus dem Zimmer und den Flur entlang und sang dabei »Jesus, mein Erretter«.

[home]
    21
    W enn du dich nützlich machen willst, kannst du abwaschen.«
    »Du brauchst bloß zu fragen.«
    »Ich frag ja.«
    Michelle wischte Brot- und Zuckerkrümel vom Tisch in ihre Hand und warf sie in Richtung Mülleimer. Andy ging zur Spüle. Sie stand randvoll mit Tellern vom gestrigen Abendessen, Fisch, Pommes frites und Ketchup.
    »Ich kauf dir ein Geschenk, wenn ich das nächste Mal in der Stadt bin, eine neue Abwaschbürste. Sieh dir das an.« Die Borsten waren vollkommen flach, zwischen ihnen steckten Teeblätter.
    Er drehte die Wasserhähne auf.
    »Rat mal, wen ich eben gesehen hab.«
    »Keine Ahnung.«
    »Diesen Nathan Coates.«
    »Ach den.«
    »War der nicht in deiner Klasse?«
    »Nein. In der von Dean.«
    »Stimmt, Dean. Dieser Nathan ist vielleicht eingebildet, ich hab gewinkt, aber keine Reaktion.«
    »Der ist jetzt Bulle.«
    »Sieht gar nicht wie einer aus.«
    »Kripo.«
    »Meine Güte. Was will er dann hier?«
    »Verbringt vermutlich seine halbe Zeit hier.«
    »Er ist die Maud Morrison entlanggegangen. Was kann er da wollen?«
    »Woher soll ich denn das wissen … Könnte alles Mögliche sein … Du weißt eher, was hier los ist, als ich. Ich war ’ne Weile weg, erinnerst du dich? Ha, ha.«
    »Ja, aber so geht’s hier nicht mehr zu.«
    »Ach nein.«
    »Ach ja, hier kaufen sich die Leute jetzt ihr eigenes Haus, es ist viel anständiger geworden.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Ich werd’s schon rausfinden.«
    »Da wett ich drauf.«
    »Verbrauch nicht die halbe Flasche davon, das Zeug ist teuer.«
    »Man braucht aber die halbe Flasche, um das Fett abzukriegen, wär besser, wenn du immer gleich abwäscht.«
    »Pass bloß auf, du bist hier nur …«
    »Ist ja gut, ist ja gut … Ich muss nachher zur Bewährungshelferin, vielleicht hat

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