Des Abends eisige Stille
sie was … Wohnung oder so.«
»Von der Bewährungshilfe kriegst du keine Wohnung.«
»Wer weiß.«
»Oder einen Job. Den musst du dir selbst besorgen.«
»Hab ich vielleicht schon.«
»Was?«
»Mir einen Job besorgt.«
»Was denn, als Straßenkehrer?«
Michelle zündete sich eine Zigarette an, zog ihre Lederjacke an und verließ das Haus, ohne auf eine Antwort zu warten.
Sie brauchte gerade mal fünfzehn Minuten, um herauszufinden, was die Kripo in diesem Teil von Dulcie wollte, und zwei weitere, um sich den anderen Frauen am Ende der Sackgasse anzuschließen. Es war ein halbes Dutzend, aber weitere waren auf dem Weg hierher, manche mit Kinderwagen und Kleinkindern an der Hand, andere auf dem Rückweg von der Schule, wohin sie die älteren Kinder gebracht hatten.
»Die wollten mal wieder nichts rauslassen«, sagte Michelle zu der Frau neben ihr.
»Machen sie das nicht immer? Versuchen uns hinters Licht zu führen.«
Ein paar lachten. Dann, nach dem Lachen, kam der erste Ruf.
»Pädophile raus.«
Andere nahmen ihn auf. »Pädos raus. Pädos raus. Pädophile, Pädophile raus, raus, RAUS .«
Nach einem Augenblick bewegte sich ein Vorhang an einem oberen Fenster.
»Komm raus, Brent Parker, wir wissen, wer du bist.«
»Ja, und was.«
»Kinderschänder.«
»Vergewaltiger.«
»Pädos raus. Pädos raus. Pädophile, Pädophile raus, raus, RAUS .«
Plakate tauchten auf, selbst gemalt auf alter Tapete, an ein Brett genagelt. »Keine Pädophilen.« – »Pädophile RAUS , RAUS , RAUS .« – »Schützt unsere Kinder.«
Der Vorhang bewegte sich nicht mehr.
Andy Gunton stellte sich ans Fenster des Vorderzimmers im Obergeschoss, von wo er die Menge besser sehen konnte. Um sie zu hören, brauchte er das Fenster nicht zu öffnen.
Kinderficker. Im Bau waren sie verhasst, nie sicher, durften in ihrer Wachsamkeit nie nachlassen, mussten sich immer vor den Schließern in Acht nehmen. Schlug man einen Kinderficker zusammen, stellte ihm in der Dusche ein Bein, dass er sich den Kopf aufschlug, rammte ihm beim Ballspiel das Knie in die Eier, war das der schnellste Weg, zum Helden zu werden. Es waren nicht viele gewesen, aber man erkannte sie aus einer Meile Entfernung, selbst wenn es ihnen nicht auf die Stirn geschrieben stand. Sie hatten alle diesen Geruch, diese unsteten Augen, irgendetwas war an ihnen. Diese Perversen wurden nie geheilt, hatte einer der Schließer gesagt. Therapieprogramme, Seelenklempner, Reha … konnte bei Junkies funktionieren, tat es oft, tatsächlich erstaunlich oft. Aber nicht bei denen. Einmal Kinderficker, immer Kinderficker … Sie waren clever genug, sie kannten das Spiel und alle Tricks, konnten dich täuschen. Aber sie änderten sich nicht.
Gegen Michelle mal fünfzig räumte Andy ihm wenig Chancen ein … noch nicht mal gegen Michelle allein, ehrlich gesagt. Was sollte das, diesem Perversen zu erlauben, in eine Sozialbausiedlung zu ziehen, mit lauter Familien? Kinderficker wurden isoliert, in Wohnblocks für Singles untergebracht, damit die Polizei wusste, wo sie waren und was sie machten.
Andy hatte sonst keine Vorurteile. Er hielt sich etwas darauf zugute, dass ihm Schwarze und Braune und Gelbe egal waren. Leben und leben lassen. Selbst Schwule. Aber die Kinderficker nicht. Absolut nicht.
Schließlich mussten Uniformierte durch die Hintertür in Brent Parkers Haus einbrechen, während die Verstärkung die Menge vor dem Haus zu zerstreuen versuchte. Als Nathan Coates eintraf, stand Parker zitternd in der Küche neben seinem Terrarium.
»Ich verlange Schutz.«
»Wir schicken sie weg. Ich wollte sowieso noch mal mit Ihnen reden.«
»Ihr könnt mich nicht in Ruhe lassen, was? Ich hab meine Strafe abgesessen, hab das alles hinter mir, aber ihr lasst mich nie in Ruhe. Ich hab’s dir gestern gesagt, wir brauchen nicht noch mal von vorne anfangen. Und ohne Schutz bleib ich nicht hier. Ihr fahrt weg, und was meint ihr, was die dann machen? Ihr meint wohl, dass ich hier sicher bin?«
»Sie könnten ja eine Ihrer Schlangen rauslassen. Ich glaube nicht, dass die dann noch näher kommen.«
»Schlangen brauchen Hitze.«
»Davon gibt’s da draußen genug. Na gut, die werden gleich weg sein. Denken Sie nicht mehr dran. Setzen Sie sich.«
»Ich steh lieber.«
»Wie Sie wollen. Sie haben gestern Abend gesagt, Sie wüssten nichts von dem vermissten Jungen.«
»Weiß ich auch nicht.«
»Sie hätten nichts damit zu tun, Sie seien nicht mal interessiert.«
»Bin ich
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