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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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tiefen Reglosigkeit hätte sie auch schlafen können. Aber der Tod hatte hier nicht daran arbeiten müssen, Alters- und Sorgenfalten zu glätten, denn Martha hatte keine gehabt. Ihre Haut war die eines Babys, ihr Haar fein gesponnen, ihr Ausdruck sanft und glatt und, wie Shirley gesagt hatte, völlig unschuldig – frei von Erfahrung, von Wissen, von Missetat, von Gefühl – vom Leben.
     
    Cat Deerborn hatte Sam und Hannah zu Philippa Granger ans Auto gebracht – die Grangers waren ihre nächsten Nachbarn, und Philippa hatte sich freundlicherweise bereit erklärt, die Kinder in den letzten paar Wochen zur Schule zu bringen. Cat hatte den Frühstückstisch abgeräumt, ihn abgewischt, die Spülmaschine eingeräumt und eine Dose Katzenfutter für Mephisto geöffnet. Als sie sich bückte, um seine Schüssel auf den Boden zu stellen, floss Wasser an ihren Beinen entlang und bildete eine Pfütze auf den Fliesen. Cat stieß einen Erleichterungsseufzer aus und zog das Telefon über die Arbeitsfläche zu sich heran.
    »Hallo, Schatz.«
    »Chris, du musst Carol Standish anrufen.«
    Carol war Cats Vertretung während des Mutterschaftsurlaubs. Sie war neu in Lafferton, wirkte tüchtig und freundlich, aber etwas kühl. Sie konnten von Glück sagen, sie bekommen zu haben, Vertretungen waren inzwischen schwer zu finden.
    »Sie arbeitet heute Vormittag nicht.«
    »Muss sie jetzt aber. Es geht los.«

David
    W
o fahren wir hin?
    Ich will nicht wieder in das Auto. Ich will jetzt nach Hause, bitte.
    Ist das ein Spiel? Oder eine Mutprobe?
    Das ist okay, aber kann es jetzt aufhören, und Sie haben gewonnen?
    Zerren Sie nicht an meinem Arm, es hat schon vorher wehgetan, als Sie dran gezerrt haben, das tut wirklich, wirklich weh … Zerren Sie nicht so.
    Ich will nicht in das Auto, aber ich steig ein, ich steig ein, bitte zerren Sie nicht an meinem Arm.
    Es ist dunkel.
    Es ist immer dunkel.
    Ich hab schon lange kein Tageslicht mehr gesehen. Nicht seit …
    Warum müssen wir immer im Dunkeln fahren?
    Ich mag nicht mehr woandershin.
    Warum müssen wir immer woanders hinfahren?
    Ich glaube, wir sind jetzt weit weg von zu Hause.
    Ich mag das nicht.
    Ich wünschte, Sie würden anhalten.
    Bitte halten Sie an.

[home]
    29
    D er DCI schaute sich im Raum um. Er sah es ihren Gesichtern an. Erschöpfung. Enttäuschung. Flackern trotziger Entschiedenheit. Aber keine Hoffnung. Sie rechneten jetzt mit dem Schlimmsten. Es war nur die Frage, wann.
    »Gut, die Rekonstruktion des heutigen Vormittags hat nicht viel gebracht … Der Regen hat das Szenario natürlich verändert, aber es lag nicht nur daran … Niemand hat sich gemeldet und gesagt, er hätte etwas gesehen, weil niemand etwas gesehen hat … ganz einfach. Wir haben den Jungen und Mrs. Angus umsonst da durchgejagt.«
    »Chef, vor einer Minute hat ein Radfahrer angerufen … Sagte, er wäre heute Morgen da vorbeigefahren, ohne etwas von der Rekonstruktion zu wissen, hätte erst auf der Arbeit davon gehört.«
    Serrailler erinnerte sich an ihn, wie er auf dem Mountainbike vorbeigeflitzt war, den Kopf gegen den Regen gesenkt. »Kommt er?«
    »In etwa einer Stunde, kann nicht früher von der Arbeit weg. Er erinnert sich daran, dass er den Jungen an dem Morgen an der Einfahrt hat stehen sehen.«
    Zwei Leute im Raum boxten mit der Faust in die Luft.
    »Sonst noch was?«
    »Bisher nicht.«
    »Danke allerseits. Ich weiß, wie frustrierend das ist, aber wir dürfen nicht nachlassen.«
    »Chef? Was halten wir wirklich von dem Ganzen?«
    »Es kümmert mich nicht, was wir davon halten, sondern was wir tun. Wir verdoppeln unsere Bemühungen, ihn zu finden, Jenny. Eine andere Wahl bleibt uns nicht.«
    Serrailler verließ den Raum, und das übliche gedämpfte Gemurmel nach dem Schichtwechsel setzte ein.
    »Er weiß, dass der Junge tot ist«, sagte Jenny Humble, »warum zum Teufel hält er damit hinterm Berg?«
    Nathan Coates drehte sich zu ihr um. »Wenn das so ist, müssen wir ihn dann nicht trotzdem finden? Denk an die Eltern. Das Schlimmste ist, nicht Bescheid zu wissen und ihn nie zu finden, da kannst du jeden fragen, der mal so was durchgemacht hat, sie werden’s dir bestätigen.«
    »Mein Dad hat eine Woche lang nichts anderes gemacht, als nach unserem Hund zu suchen. Er hat noch nicht aufgegeben, glaubt nach wie vor, dass er zurückkommen wird.«
    »Siehst du? Das Schlimmste ist, es nicht zu wissen.«
    Der Raum leerte sich, und die Tür schlug zu.
     
    Simon Serrailler stand am Fenster

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