Des Abends eisige Stille
zusammengebraut haben. Ich kann kein Licht dahinter erkennen.«
»Das sieht dir nicht ähnlich.«
»Ich fühle mich auch nicht wie ich. Ich fühle mich, als hätte ich etwas verloren, das ich für eine Bürde hielt, nur um herauszufinden, dass es doch keine war … Nun ja, wann immer man sein eigenes Kind trägt, egal in welchem Sinne, dann ist es eine Bürde, nicht wahr? Doch das habe ich bis heute Morgen nicht begriffen … was sie angeht. Bei euch anderen, ja, aber es war … so kompliziert mit Martha.«
Sie starrte in ihre Tasse. Ihre Haut war von feinen Falten durchzogen. Doch sie ist nach wie vor schön, dachte Simon, ihre hohen, markanten Wangenknochen, die elegante, gerade Nase – schön, herb, ein wenig bedrohlich. Und jetzt, sie nicht nur mit dem Tod ihres jüngsten Kindes fertig werden musste, sondern auch mit dem Aufwallen seltsamer und unerwarteter Gefühle, zum ersten Mal verletzlich.
»Wo ist Vater?«
»Beim Bestattungsunternehmen … all das.«
»Gibt’s eine gerichtliche Untersuchung?«
»Nein … warum sollte es?«
»Wird wohl nicht nötig sein.«
»Richard möchte kein großes Theater … nur die kurze Andacht beim Krematorium. Die Asche wird später im Klosterhof beigesetzt, und es wird nur einen kleinen Grabstein geben.«
»Und was möchtest du?«
»Oh, Liebling, ich überlasse es ihm, er braucht das, um damit fertig zu werden – so was kann er am besten.«
»Warum kann sie keinen richtigen Trauergottesdienst bekommen? Würdet ihr das nicht für den Rest von uns tun? Warum ist Martha etwas anderes? Wir könnten eine kleine Familientrauerfeier abhalten – in einer der Seitenkapellen.«
»Simon, ich kann keine Auseinandersetzung darum ertragen. Lass es sein.«
»Ich organisiere das, streite mich mit Vater.«
»Bitte. Tu es nicht. Außerdem, was würde das für einen Unterschied machen?«
Simon leerte die Kaffeekanne in seinen Becher. »Für mich einen sehr großen.«
Seine Mutter saß kerzengerade auf ihrem Stuhl, ohne ihn anzuschauen. So war es immer mit ihr gewesen, dachte er, sie ließ die Dinge laufen, wühlte nichts auf, beschwichtigte seinen Vater, ließ ihm seinen Willen, hielt alles ruhig. Auf diese Weise hatte sie eine lange und unglückliche Ehe mit einem Tyrannen überlebt – und indem sie sich durch ihre Arbeit und, nach ihrer Pensionierung, durch all ihre Komitees und Kuratorien von ihm distanzierte.
Er wollte nicht, dass Martha nur eine trostlose Kremation bekam, eine Angelegenheit von zehn Minuten, die ganze Sache aus dem Weg geräumt, als schämten sie sich, und er wusste, dass Cat, die einzige aufrechte Gläubige und regelmäßige Kirchgängerin der Familie, sich auf seine Seite stellen würde. Aber Cat war im Moment nicht in der Verfassung, sich ihm in einem Kampf gegen ihren Vater anzuschließen, und Simon fragte sich, ob er das Herz und die Kraft hatte, es allein durchzuziehen, wenn es seine Mutter so sehr quälen würde.
»Ihr Zimmer sah so fröhlich aus«, sagte Meriel jetzt, »mit dem roten Ballon und deinen Blumen.«
»Shirley hatte ihr die Fingernägel lackiert und ihr Schleifen ins Haar gebunden. Sie liebte das.«
Seine Mutter schaute ihn an, ihr Blick verschwommen. »Wie seltsam«, sagte sie langsam. »Wie seltsam das war.«
Ihr Blick wurde scharf, als Richard Serraillers Auto vorfuhr.
»Ist schon gut.« Simon streckte seine Hand aus und bedeckte ihre über den Tisch hinweg.
Sein Vater kam mit forschem Schritt in die Küche. »Das wäre erledigt.«
Meriel stand auf, um frischen Kaffee zu kochen.
Die Morgenpost lag in einem Stapel auf dem Tisch, und Richard Serrailler griff nach dem obersten Brief, las kurz darin, schaute dann zu Simon.
»Warum bist du nicht draußen auf Verbrecherjagd?«, fragte er mit einem kleinen Lächeln.
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30
W enn das Telefon nicht in dem Moment geklingelt hätte und wenn es nicht Chris mit der guten Nachricht gewesen wäre, dann hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen.«
»Wie äußerst passend für einen DCI «, sagte Cat zu Simon, schaute dabei aber auf ihren neugeborenen Sohn.
Das Licht der Nachttischlampe hüllte die beiden in einen sanften Kreis ein, wie sie da zusammen in dem hohen Krankenhausbett lagen. »Verdammt, ich wünschte, ich hätte meinen Skizzenblock mitgebracht. Ihr seht hinreißend aus.«
Cat lächelte. »Dazu ist noch genug Zeit … Wir laufen dir nicht weg.«
»Waren Sam und Hannah schon da?«
»Natürlich. Sam hat die ganze Zeit seine Flugzeugstartgeräusche gemacht, und
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