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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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Leere Speisekammer.«
    Sie drehte sich um und sah ihn kühl an. »Das macht nichts, Simon. Wenn ich den Kaffee getrunken habe, gehe ich sowieso.«
    Er antwortete nicht, beugte sich nur über die Tassen.
    »Hast du mit dem Fall des vermissten Jungen zu tun?«
    »Ich leite die Ermittlungen.«
    »O Gott. Gibt es irgendwas Neues?«
    »Nein. Nimmst du Zucker?«
    »Weißt du das nicht mehr?«
    Nein, um ehrlich zu sein, und wenn ich es täte, würde ich es nicht zugeben, das sind diese persönlichen Einzelheiten, die ich nicht im Kopf haben will.
    »Entschuldige.«
    »Ist schon gut. Mir gefällt die Zeichnung.«
    Sie nickte zu einem Porträt seiner Mutter, das er vor einiger Zeit gemacht und aufgehängt hatte, um zu prüfen, ob es gut genug für seine nächste Ausstellung war.
    »Vielen Dank.«
    »Deine Mutter?«
    Das hat nichts mit dir zu tun. Meine Familie geht dich nichts an, sie ist ein Teil meines Lebens, zu dem du nie gehören wirst.
    Er erinnerte sich, wie rasch Freya sowohl mit seiner Mutter als auch mit Cat Freundschaft geschlossen hatte. Diana hielt ihre Kaffeetasse in der Hand und sah ihn an. Simon hatte sich auf einen Sessel in einiger Entfernung von ihr gesetzt.
    »Also gut, Simon, dürfte ich erfahren, was zwischen uns geschehen ist? Ich hab dich zweimal angerufen – du warst nicht zu Hause, aber du hast auch nicht zurückgerufen. Beide Male nicht.«
    Er konnte nicht antworten.
    »Ich glaube nicht, dass wir im Bösen auseinandergegangen sind, oder? Ich habe mich zu erinnern versucht …«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Also …«
    Er zögerte, wollte Ausflüchte machen, es auf die Arbeit schieben … besann sich dann aber. Das war unfair. Diana verdiente die Wahrheit, oder zumindest eine Version davon. Und sobald er das herausgebracht hatte und die Dinge geklärt waren, würde sie gehen, und es würde keine Möglichkeit für Missverständnisse mehr geben.
    »Ich hatte ein ziemlich traumatisches Jahr … Jemand, die mir etwas zu bedeuten begonnen hatte, ist gestorben. Ich weiß nicht, was zwischen uns passiert wäre. Und danach war natürlich nichts mehr möglich. Aber es wäre dir gegenüber nicht fair gewesen, nach London zu kommen und … Mit dir zusammen zu sein, ist etwas, dem ich mich jetzt nicht gewachsen fühle.«
    »Meinst du mit ›jetzt‹ ›noch nicht‹?«
    Er sah einen Ausdruck in ihrem Gesicht, trotz ihres Bemühens, Distanz zu wahren, einen Ausdruck von Hunger oder Bedürfnis, den er erkannte und bei dem er am liebsten die Fensterläden aufgestoßen und sich aus dem Fenster gestürzt hätte, um davon wegzukommen.
    »Nein«, sagte er.
    »Aha. Du meinst also, ›überhaupt nicht‹.«
    Er schwieg. Diana rührte ihren Kaffee um und trank einen Schluck. Er sah, dass ihre Hand zitterte.
    »Ich fand dieses Jahr grauenhaft«, sagte sie. »Ich habe dich vermisst. Deine Besuche. Das Ausgehen mit dir. Das Schlafen mit dir. Ich hatte unglaublich viel zu tun, war ständig von einem Restaurant zum anderen unterwegs.«
    »Laufen sie gut?«
    »O ja, sie laufen gut und machen mich reich. Das bedeutet mir nicht viel. Es hält mich vom Grübeln ab, mehr nicht.«
    »Blödsinn. Du liebst dein Imperium.«
    »Ich würde es morgen aufgeben …«
    Simon erhob sich. »Ich muss im Revier anrufen«, sagte er.
    »Bitte hab wenigstens so viel Anstand, mich nicht anzulügen, Simon. Wenn man dich braucht, würde man dich anrufen. Nicht wahr? Falls du darauf wartest, dass ich gehe, dann sag es.«
    »Nein … Trink erst deinen Kaffee aus, natürlich musst du das.«
    Diana erhob sich und sah sich langsam im Zimmer um.
    »Ich habe mich danach gesehnt, hierherzukommen«, sagte sie leise. »Ich habe mich danach gesehnt, zu sehen, wo du wohnst. Ich hab es mir vorgestellt. Ich wollte in diesem Zimmer sein – dieser Wohnung – mit dir. Es ist perfekt.«
    Er stand schweigend da.
    Geh. Geh bitte, geh jetzt. Das ist mein Zimmer. Ich mag nicht, wenn jemand hierherkommt, ich will das nicht. Ich will nichts von deinen Gefühlen, deiner Verletztheit, von dir wissen.
    Bitte.
    »Ich möchte nicht gehen. Siehst du, ich habe keinen Stolz mehr. Zwing mich nicht zum Gehen.«
    Die Stille im Zimmer war wie die Sekunden vor einer schrecklichen Explosion oder einem Akt der Gewalttätigkeit, aufgeladen wie ein Hochspannungskabel.
    Aber es blieb eine Stille, die nicht von einer Explosion gebrochen wurde.
    Diana griff nach ihrem Mantel und zog ihn rasch an, bevor er die Höflichkeitsgeste machen konnte, ihr hineinzuhelfen, nahm ihre

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