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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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öffnete für eine Weile das Fenster.
    Viel war in der Zeit seiner Abwesenheit passiert, Handys gehörten dazu. Damals hatte es hauptsächlich Funktelefone für Autos gegeben. Jetzt hatte alle Welt Mobiltelefone. Zehnjährige auf Rollschuhen brabbelten da rein. Die Welt hatte einen Ruck nach vorne gemacht und Andy nicht mitgenommen.
    Um Viertel vor neun an diesem Morgen kam sein Neffe herunter, hatte das Handy in der Hand und warf es ihm zu. »Du hast eine SMS «, sagte er und verschwand durch die Hintertür.
    Andy ging nach oben, schaute in der Bedienungsanleitung nach und öffnete die erste SMS seines Lebens.
    Apprentice Rd. 2:30. Silbr Jag XK 8. Dnny.
    Er las die Nachricht mehrmals durch. Er kannte keinen Danny. Er wusste nur, dass es kaum legal sein konnte, einen Jaguar XK 8 in den frühen Morgenstunden in einer schicken Wohnstraße in den Außenbezirken Laffertons abzuholen.
    Also würde er nicht hingehen. Ganz einfach. Lee Carter konnte ihm nichts. Er würde wohl kaum um diese Uhrzeit an Michelles Hintertür klopfen und nach ihm fragen, oder? Andy würde einfach nicht hingehen. Total blöde, von Lee einen koscheren Job zu erwarten, selbst für fünf Minuten, auch wenn der behauptete, es wäre jetzt alles anders. Natürlich war es nicht anders. Sah es vielleicht anders aus? Hatten das Haus und der Rasen und die Eckbar und der mit Schnaps vollgestopfte Kühlschrank vielleicht legal ausgesehen?
    Er steckte das Handy in die Hosentasche und verließ das Haus. Die Straßen waren leer. Die Kinder waren in der Schule, die meisten Leute bei der Arbeit, und die Arbeitslosen schauten fern, hockten im Pub oder hingen in der Stadt rum. Wie er. Er nahm einen Bus und fuhr zum Rumhängen in die Stadt.
    Der Bus brachte ihn bis zum Dino’s. Die beschlagenen Fenster und der Name in verschnörkeltem Neon, genauso wie vor zehn oder mehr Jahren, alles aus einer anderen Welt, der alten Welt, einer, in der er sich zu Hause fühlte. Unter dem Neonschild schaute ihn der vermisste Junge von einem Plakat an.
    Andy öffnete die Tür zum Café. Fredo stand an der Espressomaschine.
    »Andy … Willst du einen Knickerbocker Glory?«
    Das waren noch Zeiten gewesen. Andy lachte.
    »Espresso, Cappuccino, Mokka, Latte?«
    »Tee.«
    »Okay, ich geb’s auf. Wie geht’s dir, Andy? Hast du einen Job?«
    Nein. Ja. Er war sich nicht sicher.
    »Ich such einen. Kennst du jemand, der eine Gemüsegärtnerei aufmachen will?«
    »Nein. Vielleicht kenne ich jemanden, der einen Heckenschnitt braucht. Ich.«
    »Ja, ja, schon gut. Danke, Fredo.«
    Er nahm seinen Becher mit Tee, zögerte und fügte dann einen Doughnut von dem Glassturz auf dem Tresen hinzu.
    Als er sich an einen der Marmortische am Fenster setzte, gab sein Handy ein surrendes Geräusch von sich. Andy schaute sich um. Niemand beachtete ihn. Tja, warum auch?
    Andy nahm das Handy aus der Tasche. »Gunton«, sagte er. Stille. Er zögerte, drückte dann auf den grünen, mit Gummi überzogenen Knopf und versuchte es erneut. »Gunton.« Dämliches Ding. Er biss in den Doughnut, und Marmelade spritzte seitlich heraus auf seine Wange.
    Eine Viertelstunde später, als er bei seinem zweiten Becher Tee war, surrte das Handy wieder, und als er es diesmal ans Ohr hob, sah er das kleine Briefzeichen auf dem Display. SMS .
    Er brauchte fünf Minuten. Er hatte die Anleitung nicht dabei. Alfredo polierte Löffel und beobachtete ihn. Der Junge auf dem Plakat beobachtete ihn. Eine Frau starrte ihn durch das beschlagene Fenster an. Mist.
    Am Ende schaffte er es.
    Antw
.
    Himmel.
    »Alles in Ordnung, Andy?«
    »Ja, ja.«
    »Du lässt den Kopf doch nicht hängen, oder?«
    »Nee.«
    »Weißt du, was du brauchst?«
    »Was brauch ich, Fredo?«
    Fredo bückte sich unter den Tresen, holte ein kleines Fotomäppchen heraus und reichte es Andy. Drinnen waren zwei Fotos, eins von einem dunkelhaarigen, dunkeläugigen Mädchen mit Goldohrringen, eines von demselben Mädchen in einem weißen Brautkleid, mit Alfredo, bei ihrer Hochzeit.
    »Toll«, sagte Andy und gab es ihm zurück. »Ganz toll, Alfredo. Schön für dich. Was macht’s?«
    »Ein Pfund.«
    »Nee, hör mal.«
    »Ich kann’s dir nicht ganz umsonst geben, Andy, ein Pfund ist okay.«
    Für einen Sekundenbruchteil spürte Andy, wie die Wut in ihm hochstieg, so dass er Alfredos Hand voller Löffel fast auf den Tresen geknallt und ihn angebrüllt hätte, er bräuchte keine Almosen. Er schaute seinem alten Schulfreund ins Gesicht. Alfredo schaute zurück, lächelte

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