Des Abends eisige Stille
immer noch.
»Danke, Fredo«, sagte Andy, »aber nächstes Mal zahl ich den vollen Preis, sonst kann ich nicht wiederkommen, und ich möchte wiederkommen.«
»Einverstanden.« Fredo legte die Pfundmünze in die Kasse. »Ich will, dass du wiederkommst.«
Als Andy an der Tür war, rief ihm Fredo nach: »Und wenn du eine Hecke schneiden willst, sagst du Bescheid, ja, Andy?«
Er fand eine Bank auf dem Platz vor dem neuen Einkaufszentrum. Zwei alte Männer sonnten sich. Einer schien zu schlafen. Wie konnten sie das aushalten, tagein, tagaus, nichts zu tun, nur auf Bänken herumzusitzen?
Und, was tat er? Er nahm das Handy heraus. Die SMS war vom Display verschwunden. Er fragte sich, was passieren würde, wenn er einfach nicht antwortete. Er konnte so tun, als hätte er das Handy nie bekommen, hätte nie eins benutzt und daher keine Ahnung, dass er eine Nachricht bekommen hatte, dass …
Ja, ja.
Er musste dorthin, es ging nicht anders. Er musste das Auto um halb drei Uhr morgens abholen. Wenn er es nicht tat, würde Lee zu ihm kommen, und dann? Er wusste, was dann passierte.
Michelle und eine andere Frau aßen Sandwiches und tranken Cider aus Dosen, als er zurückkam.
»Wo hast du dich denn rumgetrieben?« Sie bot ihm kein Sandwich an.
Die andere Frau hatte einen Nasenstecker und schwarz lackierte Fingernägel.
»War unterwegs.«
»Aber nicht da, wo du hättest sein sollen. Die dämliche Bewährungshelferin hat angerufen.« Michelle wischte sich den Mund ab und griff nach ihren Zigaretten.
Mist. Das hatte er total vergessen, weil die Termine bei ihr Zeitverschwendung waren und die langbeinige Trulla selbst eine Platzverschwendung war. Was hatte ihm das schon gebracht? Einen Job? Eine Wohnung?
»Was hat sie gesagt?«
Michelle zuckte die Schultern. »Ruf sie an und find’s raus.«
»Na toll.«
»Und wenn’s dir nichts ausmacht, wir haben hier ein Mädelsgespräch.«
Die schwarz Lackierte kicherte.
Das Zimmer roch muffig. Andy öffnete das Fenster weit, stellte zwei Paar Turnschuhe von Matt zum Lüften auf den Fenstersims, setzte sich auf das Feldbett und studierte die Bedienungsanleitung des Handys, bis er die Anweisungen zum SMS -Verschicken auswendig konnte.
In der Siedlung war es still und würde es auch bleiben bis halb vier, wenn die Schule aus war und dann bis ein Uhr morgens wieder Tumult herrschte. Es war nicht wie im Gefängnis, sondern schlimmer. Seine Schwester war nicht netter zu ihm als die Schließer, und zumindest hatte er dort ein eigenes Zimmer gehabt. Unter dem Bett seines Neffen konnte er dicke Staubflocken und einen Stapel Pornoheftchen erkennen.
Also, was sollte er antworten? Ihm blieb nur das eine. Er zog das Handy heraus, fand die SMS unter »Nachrichten Eingang« und tippte sorgfältig eine Antwort ein.
Verst
.
Er drückte auf »Senden«.
Er schätzte, dass er von Dulcie aus vierzig Minuten brauchen würde, quer über das alte Eisenbahngelände zur Apprentice Road. Er hatte keinen Wecker, und selbst dann hätte er nicht zu riskieren gewagt, Matt aufzuwecken, also ging er schließlich um Mitternacht ins Bett und lag wach, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Er war nicht in Gefahr einzuschlafen, dazu war er zu aufgedreht. Neben ihm schlief sein Neffe geräuschvoll, schniefte, grunzte, redete im Schlaf, wälzte sich von einer Seite auf die andere.
Der Mond schien hell, beleuchtete Andy durchs Fenster und warf silbriges Licht auf die Heavy-Metal- und Harley-Davidson-Poster an der Wand gegenüber. Andy hatte den Mond nie gemocht. Unheimlich und kalt fand er ihn, doch für heute Nacht war das ganz praktisch.
Das Handy steckte in seiner Tasche.
Um eins stand er auf und zog leise die Schuhe an. Matt bewegte sich und murmelte etwas, aber mehr nicht. Das Haus war still. Pete war bei der Arbeit. Michelle hatte noch mit ein paar Dosen Cider vor dem Fernseher gehockt, als Andy ins Bett gegangen war. Vorsichtig schlich er die Treppe hinunter, machte fast kein Geräusch, nahm seine Jacke vom Haken und schlüpfte hinaus. Das Sicherheitsschloss rastete mit einem lauten Klicken ein. Andy erstarrte. Aber er hätte die Tür auch zuknallen können, und niemand hätte darauf geachtet.
Er ging durch die leeren, mondhellen Straßen und erkannte nach einer Weile, dass das, was er spürte, keine Angst oder böse Vorahnung war, sondern Erregung. Das hatte etwas damit zu tun, um diese Zeit allein hier draußen zu sein, seit so langer Zeit keinerlei Aufregung mehr gehabt zu
Weitere Kostenlose Bücher