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Des Abends eisige Stille

Des Abends eisige Stille

Titel: Des Abends eisige Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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durchlatschen.
    Nachdem er eine Meile auf der Straße gegangen war, hörte er ein Auto auf sich zukommen. Eine Sekunde lang war er von den Scheinwerfern geblendet.
    »Steig ein.«
    Ein alter Landrover. Andy kannte die Stimme nicht, kannte den Mann nicht. Er hievte sich auf den Sitz, der mit einem Sack bedeckt war und nach Dung roch.
    »Ich lass dich an der Ecke der Barton Road raus.«
    »Wer bist du?«
    »Ian.«
    »Ian wer?«
    »Ian.«
    Nach dem Jaguar hatte er das Gefühl, in einem Panzer zu fahren. Andy meinte, jeden einzelnen Stein auf der Straße zu spüren. Er schaute zum Fahrer, der einen Anglerhut trug. Vielleicht um die dreißig, fünfunddreißig.
    »Arbeitest du regelmäßig für Lee?«, fragte er.
    »Barton Road.«
    »Gut, Barton Road, Mr. Schweigsam.«
    Ian grunzte. »Willst du ein Toffee? Da, direkt vor dir.«
    »Nein danke.«
    »Dann nicht.«
    »Wo bist du hergekommen?«
    »Aus der Nähe.«
    »Entschuldige, dass ich gefragt habe.«
    Den Rest des Weges fuhren sie schweigend, obwohl das Schweigen nicht feindselig wirkte. Als Andy ausstieg, nahm er eins von den Toffees und steckte es sich in den Mund.
    »Danke. Dachte, ich müsste den ganzen Weg zu Fuß gehen.«
    Ian lachte. Das Geräusch des Dieselmotors schien in der gesamten Siedlung widerzuhallen. Andy sah dem Landrover nach, bis die Rücklichter verschwunden waren, bevor er nach Dulcie hineinging. Es war fünf vor vier. Der Mond war hinter einer Wolke verschwunden, aber die Straßen wurden von dem hellen Orange der Laternen erleuchtet.
    Er fühlte sich ausgepumpt und seltsam enttäuscht. Es war nicht genug passiert. Er hatte ein Auto gefahren und war mit einem anderen zurückgebracht worden. Koscher oder nicht, das einzig Anständige daran war der Jaguar gewesen. Geld war zu keinem Zeitpunkt erwähnt worden.
    Morgen würde er Lee Carter anrufen und ihm sagen, dass er das nicht mehr machen konnte.

[home]
    33
    C hief Constable Paula Devenish saß vor Simons Schreibtisch.
    »Schön, Sie wiederzusehen, Simon. Weisen Sie mich kurz ein, und dann gehe ich und rede mit allen.«
    »Soll sich das Team in einer halben Stunde im Besprechungsraum versammeln, Ma’am?«
    »Nein, nein. Dann denken die Leute, ich wollte ihnen eine Standpauke halten. Ich werde nur ein paar Worte sagen und danach mit ihnen einzeln sprechen, während ich durch das Dezernatsbüro gehe.«
    »Das werden sie zu schätzen wissen.«
    »Wie ist die Stimmung?«
    »Etwas gedrückt. Sie brauchen frische Energie … Darum ist es gut, dass Sie hier sind.«
    »Das Einzige, was ihnen wirklich frische Energie geben wird, wäre ein Durchbruch, und der ist bislang ausgeblieben. Die Beamten haben nichts, worin sie sich verbeißen können.«
    »Ich lasse Ihnen einen Kaffee bringen. Haben Sie schon die Köstlichkeiten von unserem Zyprer um die Ecke probiert?«
    »Klingt gut. Ich möchte aber die Kantine nicht kränken.«
    »Die sind das gewöhnt. Cappuccino?«
    Simon griff zum Telefon. »Nathan? Könnten Sie jemanden zum Zyprer schicken und einen Cappuccino für den Chief und einen doppelten Espresso für mich holen lassen? Ja, ich dachte mir schon, dass Sie das selbst machen würden. Danke.«
    »Nathan Coates?«
    »Genau der.«
    »Wie macht er sich?«
    »Ich bin begeistert von ihm. Er ist eifrig wie ein Terrier, er kennt Lafferton so gut wie seine Westentasche, vor allem die Sozialbausiedlungen, er hat ein gutes Urteilsvermögen … arbeitet rund um die Uhr am Angus-Fall. Ich musste ihn schon zweimal nach Hause schicken, damit er etwas Schlaf bekam.«
    »Um ihn muss man sich also keine Sorgen machen.«
    »Er ist ein bisschen stimmungsabhängig … obenauf, wenn etwas gut läuft, springt herum wie ein Welpe, lässt sich aber auch leicht herunterziehen. Der Fall macht ihn wütend.«
    »Er ist jung. Wie ist die Rekonstruktion gelaufen?«
    Simon stöhnte und erzählte es ihr.
    Paula Devenish hörte mitfühlend und mit ihrer üblichen Aufmerksamkeit zu. Das gehörte zu den Dingen, die er an ihr bewunderte. Man hatte nie das Gefühl, dass sie mit den Gedanken anderswo war oder einen zu drängen versuchte. Sie fragte, sie hörte zu, sie überlegte, sie entschied. Er erinnerte sich, von Chris Deerborn einmal gehört zu haben, dass die besten Chirurgen diejenigen waren, die eine Entscheidung über das trafen, was sie machen wollten, und dann nie mehr zurückblickten.
    »Wie geht es den Eltern?«
    »Kate Marshall ist die Verbindungsbeamtin. Sie sagt, der Vater sei kaum da – vergräbt sich in der Arbeit.

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