Des Abends eisige Stille
nächste Kind zu holen.
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I ch weiß es einfach nicht«, sagte Meriel, »dazu brauche ich Sie. Wählen Sie das Richtige aus, und pflanzen Sie es an die richtige Stelle … Sie machen das doch so gut.«
Karin stand neben ihr. In den zwei Jahren, seit sie Meriels Garten neu entworfen und angelegt hatte, war alles gut gediehen und sah nicht mehr so kahl und frisch bepflanzt aus. Büsche wurden dichter, Knollen waren aufgegangen, so dass die kleinen Beete zu beiden Seiten der Stufen, die zur Terrasse hinaufführten, voll blauer Iris und kleiner Narzissen waren. Im Juni würden auch die Pflanzen auf den breiten Umrandungen am anderen Ende blühen und die Kletterrosen voller sein.
Meriel hatte Karin zum Lunch hergebeten.
Es war der Tag nach Marthas trauriger kleiner Trauerfeier in der Kapelle des Krematoriums, bei der es kalt und grau gewesen war. Heute schien die Sonne. Meriel wollte einen Baum zu Marthas Gedenken pflanzen, schien aber weder zu wissen, welche Baumart, noch, wo er stehen sollte. Sie starrte nur unbestimmt in den Garten.
Sie sieht abgespannt aus, dachte Karin, auf einen Schlag alt geworden. Sogar gebrechlich. Auch in Meriels Augen lag etwas, ein gequälter Blick, den Karin nie zuvor bemerkt hatte.
»Sie halten es also für richtig, das zu machen?« Jetzt drehte sie sich um, brauchte Bestätigung und Vergewisserung.
»Natürlich, es ist absolut passend. Wie wäre es mit einer winterblühenden Kirsche? Die hat diese zarten rosa Blüten an kahlen Ästen, wenn sonst fast nichts blüht, und oft blüht sie sogar zweimal, im November und noch mal Ende Januar. Sie ist leicht zu pflegen, sieht wunderbar aus im Schnee und gibt während des Sommers einen hübsch gesprenkelten Schatten.«
»Ich wusste, Ihnen würde genau das Richtige einfallen. Aber wo?«
»An einer Stelle, wo Sie den Baum sehen können … Wo er sich von allem anderen abhebt …«
»Dort?« Meriel deutete vage in eine Richtung. »Ach nein, suchen Sie es aus, entscheiden Sie das.«
»Es ist Ihr Garten«, sagte Karin sanft, »sie war Ihre Tochter. Diese Entscheidung kann ich Ihnen nicht einfach abnehmen.«
»Ich werde es nur falsch machen.«
»Natürlich nicht.« Karin trat von der Terrasse auf den Rasen und schaute sich um. Die Sonne verbreitete keine Wärme. Zum Glück hatte sie sich ihren Schal zweimal um den Hals geschlungen. Meriel stand etwas oberhalb, groß und mit geradem Rücken, die langen Beine in schwarzen Jeans. Wie viele Frauen in ihrem Alter können es sich noch erlauben, mit solcher Selbstverständlichkeit Jeans zu tragen?, dachte Karin.
»Wie wäre es dort … in der Mitte vom seitlichen Rasen, vor dem dunklen Hintergrund? Da können Sie ihn von der Küche aus sehen, vom Wohnzimmer und von Ihrem Schlafzimmer. An der Stelle würde er auch später nicht zu groß wirken.«
»Ja. Vielen Dank.« Meriel schien erpicht darauf, die Entscheidung hinter sich zu bringen, den Baum ausgesucht, gekauft, gepflanzt zu haben und sich dann anderem zuzuwenden.
Karin war verwirrt. Sie hatte keine Ahnung, was Meriel über Marthas Leben gedacht hatte und was sie wegen ihres wenige Tage zurückliegenden Todes empfand. Gestern im Krematorium waren Meriels Augen trocken geblieben, sie hatte sich ein bisschen steif bewegt, hatte einmal kurz Simons Arm berührt, bevor sie schnell zu den wartenden Autos ging. Sie war ernst gewesen. Mehr nicht.
Richard Serrailler hatte geweint, diskret, aber eine ganze Weile, er hatte am Sarg seiner verstorbenen Tochter ein Gedicht vorgelesen und es kaum beenden können. Danach hatte er sich den anderen nicht angeschlossen oder die Blumen betrachtet, sondern war rasch in den Garten auf der anderen Seite der Kapelle gegangen. Chris Deerborn hatte hinter ihm hergehen wollen, aber Simon hatte den Kopf geschüttelt.
Es waren nur wenige dort gewesen – drei vom Personal der Ivy Lodge, Karin, Chris war alleine gekommen, da Cat gerade erst mit dem Baby nach Hause gekommen war. Karin hatte immer wieder zu Meriel geschaut. Irgendetwas war mit ihr passiert. Bis dahin war sie eine Frau in mittleren Jahren gewesen, und jetzt hatte sie plötzlich das erste Stadium des Altseins erreicht.
»Kommen Sie herein, der Wind ist zu kalt, um hier draußen zu stehen. Ich möchte mit Ihnen über die Hospizausstellung reden.«
Karin folgte ihr. Aus dem Arbeitszimmer am Ende des Flurs hörte sie das leise Klicken einer Tastatur. Richard Serrailler verfasste nach wie vor Beiträge für medizinische Fachzeitschriften und war
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