Des Christliche Teutschen Herkules [...] Wunder-Geschichte
Herr Vater selbst sich über ihn verwunderte / und ihm die Freudenträhnen in die Augen stiegen. Er stund mitten im Saal (mich däucht / es schwebe mir noch vor Augen / als währe es gestern geschehen) und ließ seine Söhne gegen sich daher treten / welche sich zugleich vor ihm in die Knie setzeten / und jeder eine Hand fassete / welche sie inniglich küsseten / stunden auch ehe nicht auff /biß mein Herr Vater zu ihnen sagete: Seyd mir wilkommen / geliebte Söhne / und erhebet euch / daß eure Fr. Mutter euch empfahen möge / die ohndas mehr als ich / teil an euch zuhaben vermeynet. Bald im Augenblik stunden sie auffrecht / gingen meiner Fr. Mutter entgegen / setzeten sich gleichmässig vor ihr in die Knie / und küsseten ihr die Hände; welche aber vor freuden schier in Ohmacht nidergesunken währe. Sie huhb beyde zugleich auff / fiel ihnen zum offtern umb den Hals mit inniglichen Küssen / und fing endlich an: Ach ihr meine herzallerliebste Kinderchen / ich erfreue mich von Herzen / daß ich euch frisch uñ gesund bey mir habe / werde euch auch so bald nicht von mir lassen / sondern meinem Herr Bruder die Rechnung zumachen wissen / wie lange ich euch ihm habe müssen gönnen. Sie beyde danketen ihr kindlich vor solche mütterliche Gewogenheit; und als mein Bruder mich stehen sahe / fragete er meine Fr. Mutter in geheim / was vor ein fremdes Fräulein ich währe; auch / warumb seine Frl. Schwester sich alhie nicht anfünde; dessen sie lachete / und ihm zur Antwort gab: Wie meynestu dann / geliebter Sohn /daß diese eine andere / als deine geliebte Frl. Schwester sey? Laß dich nicht wundern / daß sie so zeitig auffgeschossen ist / dann das Unkraut reiffet allemahl am ersten. Ja Herzen Schwesterchen / ich muß bekennen / daß diese meiner Frau Mutter Reden mir durchs Herz schnitten / bloß nur / weil ich mich fürchtete /mein schönster Herkules / der schon völlig in meiner Seele wohnete / hätte daher einigen Argwohn meines unverhaltens fassen mögen; fing deswegen an: Gnädige Fr. Mutter / ich erkenne meine Unvolkommenheit /und daß wegen der Jugend Unverstand ich nicht allemahl eurem Willen mich gemäß verhalte; nur allein bitte ich kindlich / mich nicht so gar zeitig vor meinem Herr Bruder und H. Oheim anzuklagen / noch ehe deren Liebde zuempfahen ich gewirdiget bin. Ach mein Herzchen / antwortete sie / du hast mich ja Zeit deines Lebens nie kein mahl erzürnet / warumb solte ich dich dann anklagen? Daß ich dich aber dem Unkraut vergleiche / geschihet nicht deines Unverhaltens wegen / sondern weil man dz weibliche Geschlecht im scherze also zunennen pfleget. Unter dieser Antwort trat mein Bruder zu mir / umfing mich brüderlich /und gab mir unterschiedliche Küsse / die wegen Herkules Gegenwart ich ihm aus Schahm nicht vergelten durffte; endlich sagete er zu mir: Herzgeliebtes Schwesterchen / ich erfreue mich von Herzen deines guten wolergehens / zweifele nicht / du werdest allemahl mit schwesterlicher Liebe mir gewogen bleiben /wie ich dir solches hinwieder festiglich verspreche; aber sihe da meinen teuren Herkules / das rechte Wunder dieser Welt / desgleiche der Erdbodem noch nicht gezeuget hat / demselben wil ich dir bester massen befehlen / dz wie du sihest / er von unsern Eltern kindlich / und von mir mehr als brüderlich geliebet wird / du imgleichen ihn als einen wirdigen Bruder ehrest. Ich wahr bedacht / ihm darauff zu seiner guten Vergnügung zuantworten / aber mein allerschönster Herkules / nachdem er mich eine zeitlang / und als erschrocken angesehen hatte / daß ihm auch der mehrerteil seines Rohtes in Milchweiß verkehret ward / setzete sich vor mir auff ein Knie / tüssete mir die Hand sehr ehrerbietig / und mit zimlicher blöder Rede fing er also an: Verzeihet / Durchleuchtigstes Fräulein /eurem unwerten Knechte / der sich erkühnen dürffen /ihre Hände zuküssen / dessen er sich doch unfähig weiß / und seyd / bitte ich / damit hochgünstig zufrieden / daß Eure Königliche Eltern mich / einen solchen unvolkommenen Menschen des Sohns-Namens gewirdiget haben / der ich viel lieber als ein Diener aufwarten würde / wann mirs nur könte gegönnet werden. Im übrigen wil ich nicht unterlassen / ihrer Vortrefligkeit hochverdienten Ruhm / an was Ort und Enden ich auch seyn werde / nach Vermögen auszubreiten / als welche der Himmel selbst mit allen mehr als menschlichen (ach verzeihet mir diese Erzählung / Herzen Schwester Sibylla) Volkommenheiten ausgezieret /und der Welt zum Beyspiel seiner
Weitere Kostenlose Bücher