Des Christliche Teutschen Herkules [...] Wunder-Geschichte
aber das Fräulein machte sich allerhand gedancken / daß ihr Vater nicht an sie geschrieben /auch ihr Vetter ihr nicht eins den Elterlichen Gruß angemeldet; daher sie sagete: Ich wil ja nicht hoffen /daß etwa böse Zeitung in diesem Schreiben begriffen sey; meine Fr. Mutter wahr nicht zum besten auf / uñ wird mein H. Vater an seiner Zipperleinsplage niderliegen / sonst währe er schon hie; einmahl weiß ich wol / daß Klodius und Markus die Botschafft brachten / er währe etwas unpaß gewesen. Fr. Sophien selbst wahr nicht gar wol dabey / wolte sie doch nit mißtrösten / sondern gab vor / sie würde ja auch etwas drum wissen / wann ein sonderliches Unglük sich zugetragen hätte; aber diese ward nur in ihrer furcht gestärket / daß sie endlich nicht umhin kunte /sie zu bitten / den Inhalt ein wenig nachzusehen; worin sie ihr gern zuwillen wahr / und diese Worte heimlich lase:
Herzlieber Bruder / aller der deinen gutes Wolergehen habe ich beydes aus jetzigem und vorigem Schreiben ersehen; und wirstu Käyserlicher Hocheit sonders-gnädigste Gewogenheit gegen die beyden fremden Helden wol erfahren haben / deren ehiste Ankunfft man sich dieses Orts mit Freuden vermuhtet. Wann dann deiner Meynung nach / der Ritterliche Held Herr Herkules eine züchtige ehrliche Liebe zu meinem Kinde tragen solte /wollestu unbeschweret seyn / mit ihnen überzukommen /und unsere beyden Töchter mitzubringen / da dann wolgedachter Herr ohn zweifel die gebührliche Anwerbung vor die Hand nehmen / und alles nach Standes Erheischung vollenzihen wird. Daß aber meine Sibylla ihm so geheim seyn / und vielfältige Unterredung mit ihm pflegen sol / ungeachtet ich an beyderseits Zucht / krafft deiner Vergewisserung nicht zweifele / so nimt michs dannoch nicht wenig wunder / weil bißdaher man sie / mit Mannesbildern umzugehen / nicht hat bereden können; doch ist sie Fleisch und Blut / hat auch eine dankbare Seele / die ohn zweifel eine Gegenliebe in ihr wirket /weil sie von diesem Helden Ehr und Leben hat. Wollest mich demnach eure Ankunfft etliche Tage zuvor wissen lassen / daß ich auff so wirdige Gäste / unangesehen meines Zipperlein / mich in etwas schicken möge. Gehabe dich wol / und biß neben den deinen gegrüsset von deinem Bruder M. Fabius.
Das Fräulein kunte des Endes kaum erwarten / aber auff ihre Frage gab Fr. Sophia ihr zur antwort: Es kähme ihr die Hand unleserlich vor / deswegen sie ihr einhelffen möchte. Meines Herr Vaters Hand / sagte sie / ist mir gar leicht zu lesen / trat hinzu / uñ lase frisch weg / biß sie an die geschriebene Liebe kam /da die Schamhafftigkeit sie dergestalt überfiel / dz sie kein Auge auffschlagen durffte / sondern zu Fr. Sophien sagete: Geliebete Fr. Schwester / was vor Lust hat sie doch an dieser Aufftreiberey? ich habe ja solches um euch wissentlich nicht verschuldet. Sie hingegen beteurete ihre Unschuld hoch / daß sie weder umb diese Sache noch des Schreibens Inhalt ichtwas gewust hätte / biß auff ihr Anhalten sie dessen inne worden; und was werffet ihr mir Aufftreiberey vor? sagte sie / ist es eures Vaters Hand / werdet ihr wissen. Ach ja / antwortete das Fräulein / es ist freylich dessen Hand / aber wie mag er doch immermehr auff solche Gedanken gerahten seyn? Lasset uns den Brief vollends durchlesen / sagte Fr. Sophia / so finden wir vielleicht / das uns aus dem Zweifel helffen kan. Weil sich aber das Fräulein weiteres lesens wegerte / lase sie ihr das übrige fein deutlich vor / worüber sie vor Scham nicht mehr bey ihr bleiben kunte / sondern legete ihre Niderkleider ab / und machte sich nach dem Bette; und als Fr. Sophia ihr alsbald folgete / fing jene an: Ach herzgeliebte Fr. Schwester / was vor Unglük doch / hat euch diesen Brief in die Hände gebracht? nun sind ja die Götter meine unfehlbare Zeugen / daß weder Herr Herkules dergleichen Liebe je an mich gesoñen / noch ich gegen einigen Menschen mich dessen verlauten lassen; aber das Schreiben gibt mir ausdrüklich so viel an die Hand / daß mein Herr Vetter der Stathalter uns beyde in Verdacht halten muß / worin er uns gewiß das gröste Unrecht tuht /weil wir dessen aller dinge unschuldig sind; aber dieses gestehe ich euch / daß auff sein ehrliebendes Anhalten ich ihm Schwesterliche Liebe und Träue verheissen / welches ich umb so viel lieber getahn / weil ich des Vorsatzes bin / daß / wann mir der Himmel einen solchen leiblichen Bruder gegeben hätte / ich an andere Mannes- als Vater- und Bruder-Liebe nimmermehr
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