Des Kaisers Gespielin (German Edition)
nochmaligen Ausgang bitten würde?
Aber keine dieser Möglichkeiten taugte etwas. Eine Sklavin könnte mich verraten, nichts würde einen Fremden davon abhalten, einfach mit meinem kleinen Schatz zu verschwinden und nach meiner letzten Unterredung mit der Aufseherin des Harems sah ich auch nicht allzu viel Potential für ihr Mitgefühl.
In einem verzweifelten Moment versuchte ich Ravenna zu überreden, mir die Kontaktperson ihrer Familie zu empfehlen, aber sie winkte nur ab. Zu groß schien ihr die Gefahr, dass die Frau des Wirtes meinen Schatz selbst einstecken würde, immerhin war sie meiner Familie nicht verpflichtet. Oder aber, glaubte Ravenna, dann würde der Beutel direkt an ihre eigene Familie gehen. Oh, wie sehr wünschte ich, es gäbe hier jemanden, der meiner Familie verbunden war. Aber es nützte bekanntlich nicht über ungelegte Eier zu lamentieren.
Und so kehrte ich immer wieder an meinen Ausgangspunkt zurück, nämlich dass einzig und allein Henderley mir helfen konnte. Wenn er es schon nicht für mich tat, und davon ging ich aus, dann konnte vielleicht der Gedanke an Line sein Herz erweichen.
So machte ich mich eines Morgens, lange bevor die anderen Mädchen zu ihrem Unterricht kommen würden, auf den Weg ihn zu suchen. Unter einem weiten Umhang versteckte ich mein Gesicht und mein gut verschnürtes Bündel. Aber im Planetarium, wo ich ihn am ehesten vermutet hatte, wurde ich nicht fündig. Still und verwaist wirkten die Räume in der Morgendämmerung nicht eben einladend. Mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengrube zog ich mich schnell zurück. Was jetzt?
Ich wusste, ich sollte eigentlich in meine Gemächer zurückkehren und zu späterer Stunde meine Suche fortsetzen. Nur wusste ich nicht, ob ich den Mut noch einmal aufbringen konnte. So lange hatte sich mein Innerstes gewunden hier her zu kommen, was wenn meine Feigheit mich in ein paar Stunden wieder fand? Würde ich sie noch einmal besiegen können? Eine andere Möglichkeit gab es noch, flüsterte eine kleine vorwitzige Stimme in meinem Inneren. Ich wagte kaum darüber nachzudenken, aber... ich könnte ihn auch in seiner Unterkunft aufsuchen. War das noch Mut oder einfach nur Wahnsinn? Was einer Haremsdame, die in den Mannschaftsunterkünften gefunden wurde, geschah, das wollte ich mir lieber nicht ausmalen. Aber ich bezweifelte, dass solch eine Unglückliche in der Lage wäre ihre Geschichte noch zu erzählen.
Das Adrenalin pochte in meinen Adern. Und meine eigene Entschlossenheit überraschte mich selbst. Es war für Line, sagte ich mir, und du würdest nichts Falsches machen. Meine innere Stimme lachte mich hämisch aus, aber es fiel mir unerwartet leicht sie zu ignorieren. Und so beschloss ich trotz aller Bedenken mich verbotener Weise zu den Unterkünften der Palastsoldaten zu schleichen.
In den weit abgelegenen und durchaus rudimentär wirkenden Behausungen war es still. Aber hinter den Unterkünften konnte ich das Klirren von Waffen und heiseres Gebrüll hören. Vorsichtig duckte ich mich hinter einen Langbau und schaute um die Ecke, immer darauf bedacht, dass mich niemand sehen konnte.
Vor mir erstreckte sich eine weite stark beansprucht aussehende Fläche. Ich erkannte eine ausgediente Feuerstelle, die aber schon lange nicht mehr zu ihren eigentlichen Zwecke benutzt worden war. Statt dessen zeigten mir unzählige Scharten in ihrem Fundament, dass dies hier schon lange ein Kampfplatz war. Und dieser wurde gerade ausgiebig genutzt. Mindestens vierzig Männer hatten sich darauf versammelt, wahrscheinlich um ihre Morgenübungen zu vollziehen. Niemand trug seine volle Montur. Der ein oder andere hatte sich ein Kettenhemd übergeworfen, die allermeisten aber trugen kaum mehr als eine Hose und gelegentlich ein Hemd. Dieser Kampf wurde offensichtlich mehr um der Geschicklichkeit willen, als dem Siegen geführt.
Die Krieger hatten einen lockeren Kreis gebildet und feuerten lautstark zwei ihrer Eigenen dabei an, wie sie sich einen heftigen Übungskampf lieferten. Mit Erstaunen erkannte ich Henderley als einen von ihnen. Mit entblößtem Oberkörper, der nur unzureichend von einem Kettenhemd geschützt wurde, umrundete er mit Schwert und Schild in der Hand seinen Gegner. Die Haare standen ihm wild vom Kopfe ab und trotz der Entfernung konnte ich den Schweiß von seiner Stirn perlen sehen. Aufmerksam betrachtete er sein Gegenüber, suchte nach einer Schwachstelle. Die unmotivierten Hiebe, die er ab und an austeilte zeigten aber deutlich,
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