Des Kaisers Gespielin (German Edition)
er mir nach dem Akt von seinen Heldentaten oder seinen politischen Entscheidungen und gelegentlich befragte er mich sogar nach meiner bescheidenen Meinung. Und während ich ihm gerne meine Ansichten über Musik und Literatur mitteilte, so hielt ich mich bei allem, was die Politik betraf, vornehm zurück. Ob er versuchen sollte, einen Ausfall an die Grenzen ins Hinterland zu wagen oder doch lieber einen Botschafter zu Bündnisverhandlungen schicken sollte, vermochte ich nicht im entferntesten einzuschätzen. Aber meine Meinungslosigkeit schien ihn nicht sonderlich zu stören, vielmehr wertete er es als ein Zeichen meiner Diskretion. Und so gefiel es ihm mit mir zu reden, ohne meine Wertung eines jeden Gespräches fürchten zu müssen. Schon bald sah er mich als einen wertvollen und vertrauten Gesprächspartner an. So erfuhr ich mehr, als ich je wissen wollte, über unser Reich, seine Freunde und Feinde und die Schwierigkeit dessen, es jedem recht zu machen. Nur wenn er von seinen Reisen erzählte, ob Feldzug oder Freundschaftsbesuch, dann lauschte ich aufmerksam und versuchte mir anhand seiner detaillierten Beschreibungen auszumalen, wie es wohl anderswo vor sich ging.
Ich hatte bis jetzt genau zwei Leben gelebt. Eines zurückgezogen im Kreise meiner Familie, in der die größte Aufregung darin bestanden hatte, dass gelegentlich ein Eber in unseren Gemüsegarten eingefallen war. Und das andere in der verschwenderischen Pracht des kaiserlichen Palastes, in welchem mir alles geboten wurde, was das Herz begehrte, nur nicht die Unbeschwertheit, die ich schon lange zu lieben gelernt hatte. Und doch hatte ich hier in Ravennas Liebe mein zweites Heim gefunden. Nur der Rest der Welt erschien mir wie ein Buch mit sieben Siegeln. Immer wieder war ich erstaunt darüber, wie die Menschen anderswo lebten. Ich hatte in meinem Leben keinen Berg gesehen und so erfuhr ich fasziniert, dass es dort ganz weit oben Hütten gab, die zu jeder Jahreszeit der eisigen Kälte trotzen mussten. Was brachte einen Menschen dazu dort zu bleiben, wo es kalt und karg war? Ich hatte der Kälte noch nie viel abgewinnen können. Viel einladender erschien mir da das Leben am Meer, welches im Süden unser gesamtes Reich begrenzte. Fruchtbar war es dort, erzählte mir Seine Majestät mit leuchtenden Augen, und warm. Und die süßesten Früchte auf unserer Tafel stammten von dort. Mit verträumter Mine versuchte ich mir vorzustellen, wie das Meer wohl war. Warm und verlockend und voller Leben. Der Kaiser musste über meine neugierige Naivität lachen und wandte sich bald darauf anderen Dingen zu.
24.
Ich erfuhr als eine der ersten, dass der Kaiser vorhatte, seinen ältesten Sohn an den Hof zu holen. Eines Nachts lag er ungewöhnlich ruhelos bei mir, so dass ich mich schon zu fragen begann, ob meine Anwesenheit ihn nicht erfüllt hatte. Geistesabwesend spielte er mit meinen Brüsten, doch seine Gedanken waren nicht bei der Sache.
„Beschäftigt Euch etwas, mein Herr?“, fragte ich in die Stille der Nacht hinein.
Seine Hände hielten einen Moment inne und er sah mich an, als könnte er sich meiner gar nicht erinnern. Dann lächelte er mir gütig zu und fuhr mit seiner Beschäftigung fort.
„Du bist aufmerksam, Lila. Ich war nur gerade in Gedanken.“
Wieder sah er mir ins Gesicht: „Ich werde alt, Mädchen. Das... das kann einen Mann schon einmal wach halten.“
Nun legte ich meinerseits die Hand auf seine Brust.
„Ihr seid ein starker Mann, Eure Majestät. Und Ihr habt noch viele starke Jahre vor Euch.“
Er seufzte.
„Und schon viele hinter mir. Nein, mir ist es ernst, kleine Lila. Es wird Zeit, dass mein Nachfolger vorbereitet wird. Das wird viele Jahre in Anspruch nehmen, aber mir ist es wohler dabei, wenn mein Reich vorbereitet ist. Auf dass es nicht im Chaos versinkt, wie bei dem Tod meines Vorgängers. Und so sehr ich es auch wünschen mag, ich bin nicht unsterblich.“
Erschüttert über so viel Schwermut setzte ich auf. Instinktiv strichen meine Hände tröstend über sein Gesicht. Mein Herrscher schloss die Augen und schöpfte aus meinen Berührungen neuen Mut. Ich fühlte eine große Wärme für den starken Mann, der da so schwach und gebeutelt vor mir lag.
„Ich bin froh über Euer großes Herz, Lila. Ihr werdet einst eine gute Mutter sein.“
Erschrocken zog ich meine Hände fort. Blinzelnd öffnete er ein Auge.
„Erschreckt Euch der Gedanke an die Mutterfreuden so sehr?“
Mein Herz schlug laut. Er hatte ja keine
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