Des Kaisers Gespielin (German Edition)
war unbeliebt und hatte sich nie viel aus der Gesellschaft der Anderen gemacht. So konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen, ob sie heute trübsinniger, stiller oder in sich gekehrter war als sonst. Trotzdem hinterließ ihr Anblick einen bitteren Beigeschmack in meinem Mund. Würde sie mich noch einmal verletzen können, fragte ich mich unsicher, so das Schicksal ihr denn in die Hände spielte? Denn dass sie es gewesen war, die mich seinerzeit in den Garten gelockt hatte, um mich zu beseitigen, daran bestand für mich nach all der Zeit kein Zweifel mehr. Nicht einmal hatte sie mir seit dem fraglichen Abend offen ins Gesicht geblickt, nicht einmal das Wort an mich gerichtet. Dieser Umstand allein mochte noch keine Gewissheit bringen. Die Art, wie sie ein jedes Mal wenn wir uns begegneten zusammenzuckte und ihre unruhig dahinwandernden Augen dagegen verrieten sie sehr wohl. Der kleine hoffnungsvolle Gedanke, dass sie mich und Ravenna vielleicht vergessen könnte, wenn sie nur endlich ihr Ziel erreicht hatte, keimte in mir auf und ich betete darum, dass er sich bewahrheiten mochte.
Für den folgenden Abend war eine offizielle Begrüßungsfeier für den jungen Prinzen geplant, an dem wieder jeder edle Bewohner des Palastes zur Teilnahme verpflichtet war. Es entsprach des Kaisers Wunsch, dass sein Sohn offiziell und förmlich in das Hofleben eingeführt werden sollte. Immerhin würde einst von ihm erwartet, das Zentrum einer jeden offiziellen Tat im Reiche zu sein. Warum also nicht frühzeitig mit seiner Unterweisung beginnen?
Und so herrschte in unseren Gemächern wieder rege Geschäftigkeit, es wurde gebadet und geölt und die förmlichen Roben wieder hervorgeholt. Ich selbst musste mir bei der Schneiderin übergangsweise eine Neue fertigen lassen, die in ihrer Pracht und Erlesenheit leider nicht mit meiner ersten mithalten konnte. Aber Smeraldas gehetzter Blick, als ich mit meiner Bitte vor sie trat, ließ mich jeden Kommentar herunter schlucken. Natürlich hätte ich daran denken sollen, dass der Tag vor einer offiziellen Veranstaltung nicht der beste war, mit zeitaufwändigen Wünschen hausieren zu gehen.
Aber ich brachte es auch nicht übers Herz, das ruinierte Gewand flicken zu lassen, zu sehr erinnerte es mich an Dinge, die ich lieber vergessen möchte. Auch Ravenna hatte mir entschieden davon abgeraten, es jemals wieder in die Hand zu nehmen.
„Es wird dich nur unglücklich machen, kleine Lila!“, sprach sie mir tröstend zu. „Schenke dir selbst einen neuen Anfang und verbanne das Unglück.“
Und tatsächlich war es mir leichter gefallen, als erwartet, nicht an den Soldaten und seine harten Hände zu denken. Ich selbst machte den Umstand meiner neu entdeckten Liebe zu Ravenna in dieser Nacht dafür verantwortlich. Aber Ravenna winkte nur ab und lachte, als kannte sie nicht die heilende Wirkung, welche die Liebe haben konnte. Sie war eine merkwürdige Person, meine Ravenna. Wie konnte ein Mensch nur so stark fühlen und trotzdem so wenig sentimental sein?
Und so gingen wir an fraglichem Abend mit Leichtigkeit im Herzen und einem Lachen auf den Lippen in den hell erleuchteten Festsaal, der uns prunkvoll und warm empfing. Auch bei meinem zweiten Besuch hatte der festliche Saal nichts von seinem Zauber eingebüßt. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung, ganz anders als bei dem förmlichen Bankett mit den Botschaftern. Es würde ein gutes Fest werden, das spürte ich in meinen Knochen. Es war voll, aber nicht überfüllt und an jeder Ecke begegneten sich Minister und Soldaten, Statthalter und Konkubinen, Menschen also die seit jeher dazu bestimmt waren, nicht aufeinander zu treffen.
Mittendrin sah ich am Tisch seiner Majestät einen ernst dreinblickenden jungen Mann sitzen, in dessen Gesicht die Züge seines Vaters markant hervorstachen. Seine Züge waren ungleich weicher, wie ich feststellte. Sein behütetes Leben und seine mangelnde Erfahrung im Kampf hatten ihn noch nicht hart gemacht. Ich hoffte, das würde noch lange Zeit so bleiben. Es war schön, ein Gesicht voller Unschuld zu sehen. Das musste er sein, der von allen mit Spannung erwartete Prinz. Mir fiel sofort auf, dass er sich nicht besonders wohl zu fühlen schien. Seinen Mitmenschen begegnete er höflich, aber kurz angebunden, als wisse er nicht, was er mit ihnen zu bereden hätte. Und zwischen den Gesprächen sah er sich hilflos um, als könne er sich keinen Ort vorstellen, an dem er weniger gern gewesen wäre. Äußerlich unbeteiligt und
Weitere Kostenlose Bücher