Des Koenigs Konterbande
»Und auch sehr gefährlich.«
Zu dem Dragoner, der Matthew vom Pferd gehoben hatte, sagte Bolitho: »Kümmere dich um ihn. Ich muß hier noch was erledigen.« Er nahm sich den Schmuggler vor, der wenige Minuten zuvor seine Gefährten zum Widerstand aufgehetzt hatte, und sagte: »Wenn du mir erzählst, was ich wissen will, lege ich vielleicht ein gutes Wort für dich ein.
Aber versprechen kann ich dir nichts.«
Brüllend vor Lachen warf der Mann den Kopf in den Nacken. »Ha! Glauben Sie etwa, ich fürchte mich vor dem Henker?«
Craven murmelte: »Er hat viel mehr Angst vor seinen Auftraggebern, den Schattenbrüdern.«
Widerstandslos ließ sich der Schmuggler vom Sergeanten die Hände auf den Rücken binden. »Die kriegen Sie doch – und bald, Captain!« knurrte er.
Von der anderen Seite kam ein verblüffter Ruf: »He, Freundchen, wo willst du hin?«
Dann senkte sich Schweigen über die Gruppe, als eine zerlumpte Gestalt, einen Knüppel wie tastend vor sich ausgestreckt, in den Lichtkreis der Laterne trat. Der Anblick war so gespenstisch, daß alle erstarrten.
Der Blinde flüsterte: »Das ist er, Captain!« Mit brechender Stimme fuhr er fort: »Ich wollte nicht kommen, aber dann hörte ich ihn lachen. Dieses Lachen kenne ich. Das ist der Mann, der mich geblendet hat.«
»Du elender Lügner!« schrie der Gefangene. »Wer glaubt schon einem blinden Idioten?«
Bolitho beherrschte sich nur mühsam. Er spürte den fast übermächtigen Drang, diesen Kerl zu schlagen, zu töten, obwohl er hilflos und gefesselt war.
»Ich
glaube ihm.« Seine ruhige Stimme kam ihm selbst fremd vor. »Denn dieser Blinde hier – der mein Freund geworden ist, hört ihr? –, hat uns geholfen, ohne jemals einen Lohn dafür zu fordern.« Alle schwiegen jetzt, auch der Gefangene; unsicher schielte er zu Bolitho hinüber und hatte das Bluffen anscheinend vergessen. »Er wollte nur Rache, und ich verstehe allmählich, was er damit gemeint hat.« Bolitho blickte die anderen an. »Major Craven, würden Sie bitte den Schuppen räumen lassen?«
Einer nach dem anderen verschwanden die Dragoner durch die Tür; manchen war der Schock über das Erlebte noch ins Gesicht geschrieben, in den Augen der meisten jedoch stand ein kaltes Funkeln. Sie wollten den Tod ihres Kameraden gerächt sehen. Was wußten Außenseiter schon von ihrem Corpsgeist und den Opfern, die ihnen abverlangt wurden?
Bolitho sah Begreifen in den groben Zügen des Schmugglers dämmern. Speichel rann aus seinen Mundwinkeln, als er protestierte: »Das war doch gelogen! Sie würden es nicht wagen…« Und als Bolitho ungerührt zur Tür ging:
»Lassen Sie mich nicht allein mit ihm!«
Der Blinde tastete sich vorwärts, bis er hinter dem auf der Bank sitzenden Gefangenen stand, dann legte er ihm sanft die Hände über die Augen. »Wie gefangene Schmetterlinge «, kicherte er.
Der Gefesselte warf sich zu Boden. »Hilfe! Nicht meine Augen!« kreischte er.
Mit einem Würgen in der Kehle öffnete Bolitho die Tür.
Da hörte er den Schmuggler hinter sich schreien: »Ich sag’s Ihnen ja! Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen! Aber halten Sie mir den da vom Leibe, um Christi willen!«
Mit zwei Schritten war Bolitho bei ihm. »Ich brauche Namen. Ich will alles wissen, wobei du mit von der Partie warst.«
Der Mann rang nach Luft, als sei er am Ersticken. »Er hatte seine Nägel schon in meinen Augen!« keuchte er.
»Ich warte.« Bolitho packte die magere Schulter des Blinden, bis dieser ihm das bandagierte Gesicht zuwandte. An seinem Ausdruck erkannte Bolitho, daß er seiner Rache schon müde war; sie brachte ihm nicht die erhoffte Genugtuung.
Gemeinsam hörten sie dem verzweifelten Stammeln des Gefangenen zu, dessen Mitteilungsbedürfnis plötzlich kein Ende zu nehmen schien. An das Leben im Schatten des Galgens oder der tödlichen Kugel hatte er sich gewöhnt.
Aber der Gedanke an die Folter unter den Händen des von ihm Geblendeten hatte jeden Widerstand in ihm erstickt.
Anschließend sagte Bolitho: »Ich lasse dich jetzt in die Kaserne bringen, in eine Einzelzelle, wo du Tag und Nacht bewacht wirst. Wenn auch nur ein einziges Wort von dem, was du mir soeben erzählt hast, gelogen war, dann sperre ich diesen Mann hier zu dir in die Zelle.« Er griff in das fettige Haar und riß den Kopf des Schmugglers hoch. »Sieh mich an, du Laus! Glaubst du immer noch, daß ich nur bluffe?«
Nackte Angst stand in den Augen des Mannes und stieg Bolitho als Gestank in die Nase. »Also
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