Des Koenigs Konterbande
Captain.« Zum erstenmal schwang Furcht in seinen Worten mit, die würgende Angst eines Menschen, der einem entsetzlichen Tod ins Auge geblickt hat.
Neidisch hörte er den Blinden schnarchen. Wahrscheinlich geisterte er nachts herum und verschlief den Tag, für ihn machte es ja keinen Unterschied. Für Bolitho aber dehnten sich die Stunden schier endlos. Er lenkte sich ab mit dem Gedanken an seine drei Kutter und an den Kommodore.
Und dann, scheinbar ganz plötzlich, begann das Tageslicht zu schwinden. Wo eben noch das Grün der Bäume und die glitzernde See geleuchtet hatten, hingen jetzt nur noch violette Schatten, dehnte sich stumpfes Grau.
Im Werftschuppen flammten ein paar Lichter auf, aber sonst war nach wie vor keine Bewegung zu sehen. Lediglich ab und zu hatte ein Bewaffneter den Hof überquert, um sich ins Wasser zu erleichtern.
Bolitho studierte jeden Meter des Terrains, das er überqueren mußte. Er durfte nachher über keine Wurzel stolpern und nicht etwa in einem Kuhfladen ausrutschen. Der Überraschungseffekt war sein einziger Schutz.
Der Blinde war jetzt hellwach und duckte sich neben ihn.
Wie konnte der Mann nur in diesen stinkenden Lumpen leben? Aber vielleicht roch er seinen Gestank selbst nicht mehr.
Vage deutete der Mann auf die See hinaus. »Da muß ein Boot kommen.«
Bolitho griff nach seinem Teleskop, ließ es aber mit einem unterdrückten Fluch wieder sinken. Das Licht war schon zu schwach. Wie ein lautloser Vorhang hatte sich die Dämmerung über sie gesenkt.
Dann hörte er das Knarren von Riemen und gewahrte die Spiegelung einer Laterne auf dem Wasser, mit der jemand am Ufer das Boot heranwinkte.
»Die kommen von einem Schiff«, ergänzte der Blinde.
Bolitho strengte seine Augen noch mehr an. Wenn dort draußen wirklich ein Schiff lag, hatte es keine Lichter gesetzt. Landeten sie Schmuggelware an? Unwahrscheinlich.
Der Blinde wußte besser als jeder andere, was hier vorging: Die Werft war ein Sammelplatz für Seeleute, die in den Musterrollen der Navy als Deserteure geführt wurden. Oder für geflohene Sträflinge, vielleicht auch für Abenteurer. Auf jeden Fall eine gefährliche Mischung.
Wieder knarrten Riemen. Was das Boot hier auch zu tun gehabt hatte, es war schnell erledigt worden.
Er erhob sich schaudernd in der kühlen Abendluft. »Warte hier«, befahl er dem Blinden. »Rühr dich nicht vom Fleck, bis ich wieder da bin.«
Der Mann stützte sich auf seinen langen Knüppel. »Die schneiden Ihnen die Kehle durch, so sicher wie das Amen in der Kirche.«
»Ich muß mich vergewissern.« War da unten eine Tür zugeschlagen worden? »Falls ich nicht wiederkomme, geh zu Major Craven.«
»Ich krieche vor keinem verdammten Rotrock!«
Sein wütendes Gebrabbel folgte Bolitho auf den ersten Schritten den grasbewachsenen Hang hinunter. Er hielt auf ein einzelnes erleuchtetes Fenster im Schuppen zu. Gelächter drang zu ihm heraus, das Klirren einer zerplatzenden Flasche, noch mehr Gelächter. Also waren noch nicht alle mit dem Boot verschwunden. Vielleicht saß Allday … Er erreichte die Schuppenwand und lehnte sich dagegen, bis sein Atem wieder ruhiger ging.
Dann spähte er vorsichtig um die Fensterkante. Spinnweben verhüllten das staubige Glas, aber er konnte trotzdem genug erkennen. Um einen roh gezimmerten Tisch saßen sechs Männer, tranken Rum aus einem reihum wandernden Krug, während ein siebter Brotlaibe in grobe Stücke schnitt und in einen Korb schichtete. Nur einer, der sich abseits hielt, war bewaffnet. Er trug einen blauen Rock, ein rotes Halstuch und einen Zweispitz in keckem Winkel auf das dicke, ölige Haar gedrückt.
Nervös blickte Bolitho sich um, aber alles blieb still. Diese Leute waren also Flüchtlinge, die auf das nächste Schiff warteten. Die ganze Szene hatte etwas so Endgültiges, als sei hier nur die Nachhut versammelt, als würde der Schuppen nach ihrem Verschwinden wieder seinem ursprünglichen Zweck dienen. Beweise würden dann keine zurückbleiben.
Und Alldays Schicksal war so rätselhaft wie zuvor.
Bolitho befeuchtete sich die Lippen. Sieben gegen einen, aber nur der Bewaffnete, wahrscheinlich ein Schmuggler, war eine wirkliche Gefahr. Jetzt merkte er auch, daß sein Herz wie wild schlug und sein Mund so trocken war wie Zunder.
Noch waren sie alle zusammen, aber jeden Augenblick konnte einer herauskommen, ihn entdecken und Alarm schlagen. Dann würden alle zu den Waffen greifen.
Vorsichtig schlich Bolitho an der Wand entlang zur Tür.
Im
Weitere Kostenlose Bücher