Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Koenigs Konterbande

Des Koenigs Konterbande

Titel: Des Koenigs Konterbande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
achtern in die Kajüte. Dort schob er die Blende der Laterne auf und setzte sich hin, um sein Logbuch zu schreiben.
    Ein heller Reflex von der Koje gegenüber lenkte seinen Blick ab.
    Er beugte sich vor und griff danach. Es war eine schöne goldene Taschenuhr mit graviertem Deckel. Er erinnerte sich, daß Bolitho sie oft herauszog, und nicht nur, um die Uhrzeit abzulesen. Das Päckchen mit dem unvollendeten Modellschiff lag daneben.
    Vorsichtig ließ Paice den Deckel aufspringen und las die Widmung. Irgendwie war er sicher, daß Bolitho es ihm nicht verübelt hätte.
    Die Matrosen hielten einen Vollkapitän für ein höheres Wesen, das gleich nach Gott kam, nach Belieben schalten und walten konnte und an nichts Mangel litt. Welch absurder Gedanke, bezogen auf den Mann, der jetzt da draußen in der Nacht mit einem Blinden unterwegs war. Ihm war außer dieser Uhr nichts geblieben.
    Bolitho lag bäuchlings hinter einem Busch und richtete sein Taschenteleskop auf die Werft etwa fünfzig Meter unter ihm. Schmerzlich verzog er das Gesicht, als ein loser Kieselstein sich in seinen Ellbogen bohrte. War dies wirklich die Werft, die ihm der Blinde beschrieben hatte?
    Er schloß kurz die Augen und ließ die Stirn auf seinen rechten Unterarm sinken. Die hochstehende Mittagssonne blendete ihn. Das Teleskop durfte er nicht mehr benützen, denn ein Lichtreflex von der Linse konnte ihn verraten.
    Sobald es halbwegs sicher war, würde er sich in die Werft schleichen müssen. Aber wie sollte er es bis zum Abend hier aushalten? Jetzt bedauerte er, daß er seine Hüftflasche auf
Telemachus
gelassen hatte. Er lutschte an einem Kiesel, um seinen Durst zu betäuben. Der Anblick des Blinden neben ihm heiterte ihn auch nicht gerade auf. Mit seinen dreckigen Lumpen und der schmierigen Binde über den leeren Augenhöhlen bot der Mann ein beklagenswertes Bild.
    »Man gewöhnt sich ans Warten«, krächzte sein Gefährte.
    »Wenn’s erst dunkel ist…« Er kicherte wieder. »Dunkel – was für’n Witz, wie?«
    Bolitho seufzte. Der Mann lebte in ständiger Dunkelheit.
    Aber seit er ihm seine rätselhafte Geschicklichkeit so eindrucksvoll bewiesen hatte, zweifelte er nicht mehr an seinen Worten.
    Plötzlich fuhr er zusammen und hob vorsichtig wieder sein Fernrohr, achtete aber darauf, daß es im Schatten blieb.
    Unten in der Werft war Bewegung entstanden. Zwei Bewaffnete gingen über den Hof, einer davon trug einen irdenen Krug, wahrscheinlich mit Rum. Überall lag Werkzeug herum, eine Breitaxt lehnte an einem unfertigen Bootskörper, aber gearbeitet wurde auf dieser Werft nicht.
    Die beiden Männer hatten den wiegenden Gang von Seeleuten.
    Sie bewegten sich selbstsicher, ohne jedes Zeichen von Furcht oder auch nur Vorsicht. Für soviel Unbekümmertheit mußten sie gute Gründe haben.
    Bolitho schob das Fernrohr zusammen und senkte den Blick auf eine Ameisenkolonne, die über die Schneide seines gezogenen Degens kroch. Er mußte endlich zu einem Entschluß kommen. Was sollte er tun? Falls er seinen Beobachtungsposten verließ, um Hilfe zu holen, konnte ihm da unten etwas Wichtiges entgehen. Als er sich nach seinem blinden Gefährten umsah, stellte er überrascht fest, daß er verschwunden war. Aber nicht lange. Es raschelte zwischen den trockenen Büschen, dann tauchte sein Führer mit einem verbeulten Henkelbecher in der Hand wieder auf. Er hockte sich neben ihn und hielt ihm den Becher hin. »Kleine Erfrischung, Captain?«
    Er mußte das Wasser aus irgendeinem Bach in der Nähe geholt haben. Es schmeckte faulig wie aus einer Viehtränke.
    Trotzdem nahm Bolitho einen langen Schluck und hätte für den feinsten Rheinwein nicht dankbarer sein können.
    Der Blinde nahm den Becher zurück und schob ihn irgendwo zwischen seine schmutzigen Fetzen. »Sie bringen sie manchmal hierher, Captain«, sagte er. »Die neuen Leute für die Schmuggler. Von hier werden sie auf die verschiedenen Schiffe verteilt, wissen Sie?« Er sprach wie ein Lehrer mit einem begriffsstutzigen Schüler.
    Bolitho nickte. Aber wenn das so offen geschah, warum war dann die Werft von den Behörden noch nicht durchsucht und abgesperrt worden? Ihm fielen Major Cravens Andeutungen ein, daß mächtige, einflußreiche Persönlichkeiten hinter den Schmugglern standen, mehr interessiert an schnellem Profit als an der Einhaltung von Gesetzen, die angeblich ohnehin nicht durchzusetzen waren.
    »Wem gehört das Grundstück?«
    Der Blinde rollte sich zusammen. »Muß mich bißchen ausruhen,

Weitere Kostenlose Bücher