Des Koenigs Konterbande
nimm dich in acht«, sagte er leise und ging.
Draußen lehnte er sich an die Schuppenwand und starrte zum funkelnden Sternenhimmel auf.
»Gott sei Dank sind wir noch rechtzeitig gekommen«, sagte Craven leise neben ihm.
»Aye.« Bolitho sah, wie der Blinde das weiche Maul eines Dragonerpferdes streichelte. »Ihm dort haben wir eine Menge zu verdanken.« Langsam ließ der Brechreiz in seiner Kehle nach, und er fügte hinzu: »Also, wo steckt der Junge?
«
Doch Matthew lag schlafend im Schoß des aufgesessenen Dragoners.
»Wir sollten aufbrechen«, drängte Major Craven mit einem Blick zum aufgehenden Mond. »Ich habe zwar um Verstärkung geschickt, bevor wir losritten, und inzwischen sollten rund fünfzig Reiter von Chatham hierher unterwegs sein. Aber man weiß ja nie …«
Bolitho nickte. »Haben Sie ein Pferd für mich?« Er wartete, bis das Tier des Gefallenen herangeführt wurde, und setzte dann hinzu: »Dank für Ihre Hilfe. Jetzt ist die Reihe an mir.« Damit schwang er sich in den Sattel.
Als der Blinde Bolitho die Zügel reichte, beugte sich dieser hinab und griff nach seinem Arm. »Willst du mit uns kommen, Freund?«
Aber der Mann schüttelte den Kopf. »Ich bleibe in der Nähe, Captain. Nur falls Sie mich brauchen.«
Die Dragoner trabten an, während die Gefangenen nebenher rannten. Das Gesicht in ihre Richtung gewandt, murmelte der Blinde in die Dunkelheit: »›Freund‹ hat er zu mir gesagt.«
Dann nahm er seinen Stock auf und verschmolz mit der Nacht.
Ein Beispiel an Mut
Unbeleuchtet trieb die Brigg
Loyal Chieftain
unter aufgegeiten Toppsegeln langsam nach Lee, eine Todesfalle für jeden unaufmerksamen Seefahrer. In der pechschwarzen Nacht waren zwei stäbige Lugger längsseits gegangen, aus denen nun alle drei Crews mit Flaschenzügen und per Hand in schier endlosem Strom Waren verluden. In der Vorschiffslast arbeitete Allday und staunte darüber, wie schnell der Transfer abgewickelt wurde, obwohl dabei ein paar dumme Patzer passierten. Die Brigg hatte zwar eine doppelt so starke Besatzung wie normal, aber die Leute waren nicht aufeinander eingespielt; so gab es gröbere Püffe und Flüche als auf jedem Kriegsschiff.
Jedesmal, wenn er an Deck ging, schielte Allday hoffnungsvoll zum Land hinüber. Aber er konnte nichts erkennen, nicht einmal das kleinste Licht verriet, wie weitab oder wie nahe die Küste lag. Er wußte, sie waren in holländischen Gewässern, irgendwo bei Flushing, aber nach dem, was er sah, hätten sie auch auf der Rückseite des Mondes sein können.
Seine seemännische Geschicklichkeit war bald aufgefallen, und er konnte nur der Vorsehung danken, daß Delaval nicht an Bord war. Zur Zeit stand die
Loyal Chieftain
unter dem Kommando ihres Ersten und des Steuermanns, eines schmallippigen Mannes namens Isaac Newby. Er stammte aus Dorset und hatte schon zwei Festnahmen wegen Schmuggels auf dem Kerbholz, war aber jedesmal aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen worden.
»Ich habe eben prominente Freunde«, hatte er sich vor Allday gerühmt. Sonst war nichts von ihm zu erfahren gewesen, und als die beiden Lugger erst festgemacht hatten, war ihnen keine Zeit mehr zum Essen, Trinken oder Unterhalten geblieben.
Die Männer mühten sich mit den ungewohnten Taljen ab, einer wurde von einem Netz voll Brandyfässer bewußtlos geschlagen. In den Ladeluken verstauten und laschten erfahrenere Leute die Ladung fest, kaum daß sie von oben herunterkam. Die Fässer wurden zu Flößen zusammengebunden.
Alldays neuer Freund, ein ehemaliger Toppgast namens Tom Lucas, hatte ihm erzählt, daß sie später vor der englischen Küste über Bord geworfen würden; Schmuggler in Ruderbooten sollten sie auffischen. Danach wurden die Fässer in Höhlen und kleinen Buchten versteckt, bis sie auf Pferde oder Esel verladen und zu den Verteilerstellen im Binnenland geschafft werden konnten.
Lucas war ein langer, griesgrämiger Salzbuckel, der sein ganzes Leben auf See verbracht hatte. Auf der Überfahrt von Kent hatte Allday ihm zugesehen, wie er einen Riß in seinem Hemd stopfte. Der Bootssteurer kannte die Marine und ihre brutale Disziplin nur zu gut, aber der von der neunschwänzigen Katze bis zur Unkenntlichkeit entstellte nackte Rücken Lucas’ hatte ihn doch erschreckt. Die Narben stammten aus der Zeit, als er auf einem Linienschiff in der Nore gedient hatte, einem von Hunger, Personalmangel und einem sadistischen Kommandanten geplagten 74er.
Lucas war zum Sprecher der Besatzung gewählt
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