Des Koenigs Konterbande
Schiff
Ithuriel,
ein Zweidecker mit 74 Kanonen, spiegelte sich stolz im glatten Wasser der Königlichen Werft. Vom schwarz und beige gestreiften Rumpf mit den viereckigen Stückpforten bis hinauf zu den sauber aufgetuchten Segeln an den beigebraßten Rahen war alles neu, auch die Uniformen der Offiziere, die an Deck vor ihren schweigend angetretenen Leuten standen. Quer über die Poop bildeten die Seesoldaten eine rot-weiße Reihe, und über ihren Köpfen flappte die Nationale lustlos vor dem verwaschenen Blau des Winterhimmels.
Stolz und Trauer hielten sich an diesem Tag in Chatham die Waage. Denn
Ithuriel war
das erste größere Kriegsschiff, das seit der Amerikanischen Revolution hier von Stapel lief.
Voll ausgerüstet und bemannt, stand es nun kurz davor, seinen Platz in der Kanalflotte einzunehmen.
Unterhalb der Poop nahm Bolitho an der offiziellen Übergabe des neuen Schiffes teil. Der Kommandant verlas gerade seine Bestallung vor der Besatzung, die er nun zu großen Taten fuhren sollte, solange die Admiralität es befahl – und er überlebte.
Etwas abseits standen die Offiziersdamen in einer Gruppe zusammen und beäugten die fremdartige Welt ihrer Männer, an der sie niemals wirklich teilhaben konnten. Manche waren bestimmt dankbar dafür, daß der Familienernährer nach langem Warten und bitteren Enttäuschungen endlich wieder einen Posten innehatte. Andere zählten gewiß jede kostbare Minute, die ihnen noch blieb, bevor sie ihre Lieben auf unbestimmte Zeit und vielleicht für immer entbehren mußten.
Bolithos Blick hob sich zum Himmel mit der kalten, harten Sonne. Das Herz wurde ihm schwer bei dem Gedanken, daß er hier nur ein unbeteiligter Zuschauer war. All die Aufregung und tausend Besorgungen, in deren Mittelpunkt das neu in Dienst gestellte Schiff stand, würden nun bald ihren wahren Wert beweisen müssen – oder ihre Schwächen enthüllen, wenn es das erste Mal unter Segeln Fahrt aufnahm.
Der Admiral und sein Flaggleutnant standen ein wenig abseits von den Werftbeamten, die zufrieden die Frucht ihrer Arbeit begutachteten, während die Besatzung zum Jubeln und Mützenschwenken angehalten wurde.
Sehnlich wünschte sich Bolitho an des Kommandanten Stelle. Obzwar keine Fregatte, war dieses neugeborene Schiff doch eines der schönsten Werke von Menschenhand: vollendet bis ins letzte Detail, aber auch anspruchsvoll wie alles Besondere. Mit niedergeschlagenen Augen lauschte Bolitho den letzten Worten des Kommandanten, die an dem stillen Januartag weit übers Wasser schallten.
Auch das bedrückte ihn: daß man schon das neue Jahr schrieb. Die Gefahren waren nicht geringer geworden, doch die Hoffnung auf ein Zurückschlagen hatte ihn beflügelt. Bis jetzt. Aber es war immer noch keine Anweisung von Lord Marcuard eingegangen, so daß er befürchten mußte, daß er mit seinen dickköpfigen Attacken gegen Sir James Tanner alles ruiniert hatte. Marcuard mußte sich von ihm abgewandt haben.
Er fuhr zusammen, als er seinen Namen hörte.
Der neue Kommandant kam zum Schluß seiner Ansprache.
»… Ein herrliches Schiff, das ich die Ehre habe zu führen. Doch ohne das anfeuernde Beispiel und die Entschlossenheit von Kapitän Richard Bolitho hätten wir jetzt nicht einmal genug Männer, um es flußabwärts treiben zu lassen, geschweige denn, um es seeklar und kampftüchtig zu machen für alle Aufgaben, die uns draußen erwarten.« Er verbeugte sich leicht in Bolithos Richtung.
»Ithuriel
wird Ihr Vertrauen nicht enttäuschen, Sir.«
Bolitho wurde verlegen, als sich die vielen Gesichter ihm zuwandten. Es stimmte ja: Gepreßte und Freiwillige, Matrosen, die sein Angebot akzeptiert und sich straffrei von den Schmugglern zur Navy zurückgemeldet hatten – sie alle waren hier zu einer Besatzung vereinigt worden. Nun hing es vom Können ihres Kommandanten ab, was sie leisten würden. Bolitho aber blieb, zur Untätigkeit verdammt, an Land zurück und würde bald vergessen sein.
Vielleicht kam es doch nicht zum Krieg? Der Gedanke hätte ihn erleichtern sollen, stattdessen merkte er mit einer gewissen Beschämung, daß er ihn frustrierte.
Die Besatzung durfte wegtreten und wurde zur Rumausgabe kommandiert – wegen der anwesenden Damen ausnahmsweise ohne die sonst üblichen Flüche und Schimpfworte.
Später, wenn die Ehrengäste von Bord waren, würden die Barkassen und Leichter der Fährleute und Zuhälter anlegen und unter den wachsamen Blicken des Ersten Offiziers ihre menschliche Fracht ausladen:
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