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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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hin, als er sich zur näheren Prüfung des Bodens bückte. Er konnte feststellen,wo Harry nach seinem Luftsprung aufs Feste kam, er erkannte Herrn Raeburns breiten Fuß, der tief in das Erdreich eingesunken war, als der Gärtner den Sekretär am Kragen in die Höhe zog, ja, bei genauerem Hinsehen glaubte er die Spuren tappender Finger zu erkennen, als wäre etwas ausgestreut und dann eifrig zusammengerafft worden.
    Auf mein Wort, dachte er, das wird ungemein spannend.
    Jetzt fiel ihm etwas ins Auge, das fast ganz in der Erde vergraben lag. In einem Nu hatte er ein feines, ledernes Futteral, das mit goldenem Verschluß versehen war, herausgegraben. Es war gewaltsam in die Erde getreten worden und so Herrn Raeburn bei seinem hastigen Suchen entgangen. Herr Rolles öffnete das Futteral und tat vor fast schreckhaftem Erstaunen einen langen Atemzug, denn vor ihm lag auf grünsamtener Unterlage ein Diamant von wunderbarer Größe und vom reinsten Wasser. Er war so groß wie ein Entenei, schön geformt und fleckenlos, und als die Sonne darauf schien, gab er einen Glanz von sich gleich elektrischem Feuer und schien mit tausendfachem Scheine in der Hand des jungen Mannes zu flammen.
    Rolles verstand wenig von Edelsteinen, aber der Diamant des Rajahs war ein Wunder, das keiner Erklärung bedurfte; ein Dorfkind, das ihn gefunden hätte, würde schreiend zum nächsten Hause gelaufen sein, und ein Wilder sich vor einem so gewaltigen Fetisch anbetend niedergeworfen haben. Die Schönheit des Steines schmeichelte den Augen des jungenGeistlichen, und der Gedanke an seinen unberechenbaren Wert überwältigte seinen Verstand. Er wußte, daß, was er in der Hand hielt, weit wertvoller war als das Einkommen eines Erzbischofssitzes in vielen, vielen Jahren, daß man davon Dome bauen könnte, stattlicher als die von Ely oder Köln, daß der Besitzer für immer frei wäre vom schlimmsten Fluch und seinen eigenen Neigungen frank und frei folgen könnte. Und als er den Stein plötzlich umdrehte, sprühten ihm die Strahlen mit erneutem Glanze entgegen, und es war, als drängen sie ihm bis ins Herz.
    Der Mensch entschließt sich zu entscheidenden Schritten oft im Augenblick und ohne vor seiner Vernunft Rechenschaft abzulegen. So war es auch jetzt bei Herrn Rolles. Eilig blickte er ringsum, bemerkte, wie Herr Raeburn vor ihm, nichts als den sonnenbeschienenen Blumengarten, die hohen Baumspitzen und das Haus mit den geschlossenen Fensterläden, und in einem Nu hatte er das Futteral zugemacht und in die Tasche gesteckt, worauf er mit der Hast des schlechten Gewissens in sein Studierzimmer eilte.
    Der hochwürdige Simon Rolles hatte den Diamanten des Rajahs gestohlen!
    Am frühen Nachmittage stellte sich die Polizei mit Harry Hartley ein. Der Gärtner, der vor Schreck außer sich war, gab seinen Hort ohne Widerstand preis, und die Edelsteine wurden in Gegenwart des Sekretärs als die vermißten festgestellt und verzeichnet. Was Herrn Rolles betrifft, so zeigte er sich höchst liebenswürdig, erzählte freimütig alles, was er wußte, und drückte sein Bedauern darüber aus,daß er den Beamten im übrigen nicht weiter behilflich sein könnte.
    »Doch denke ich,« fügte er hinzu, »Sie haben Ihre Arbeit so ziemlich getan.«
    »Keineswegs,« erwiderte der oberste Polizist und erzählte von der zweiten Beraubung, deren Opfer Harry geworden war. Hierauf beschrieb er dem jungen Geistlichen die besonders wertvollen Kleinode, die noch fehlten, vor allem den Diamanten des Rajahs.
    »Der muß ja ein Vermögen wert sein,« bemerkte Herr Rolles.
    »Zehn – zwanzig Vermögen,« rief der Beamte.
    »Je größer sein Wert ist, desto schwieriger muß es sein, ihn zu verkaufen,« bemerkte Simon mit List. »So ein Ding hat seine eigene Physiognomie, die sich nicht verwischen läßt, und ich sollte meinen, es könnte einer ebenso leicht die Paulskirche verhandeln können.«
    »O gewiß!« sagte der Beamte; »aber wenn der Dieb nur einigen Verstand besitzt, so wird er ihn in drei oder vier Stücke zerschneiden und immer noch genug zum reichen Mann haben.«
    »Danke,« sagte der Geistliche. »Sie glauben nicht, wie interessant mir Ihre Mitteilungen sind.«
    »Ja,« meinte der Polizist, »wir haben allerdings in unserem Berufe Gelegenheit, so manches Werkwürdige zu erfahren,« worauf er das Haus wieder verließ.
    Herr Rolles begab sich in sein Zimmer, das ihm kleiner und öder als gewöhnlich vorkam. Auch die Vorarbeiten für sein großes Werk waren ihm niemalsso

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