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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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vergilt den Schweiß des Jägers in rechter Weise. Im Augenblick bin ich, wie sich Eure Hoheit denken können, auf der Fährte; ich habe eine sichere Hand und eine gewaltige Erfahrung; ich kenne jeden wertvollen Stein in der Sammlung meines Bruders, wie ein Hirt seine Schafe kennt, und ich möchte lieber den Tod erleiden, wenn ich sie nicht allesamt in meinen Besitz bringe.«
    »Sir Thomas Vandeleur wird alle Ursache haben, Ihnen dafür dankbar zu sein,« sagte der Prinz.
    »Dessen bin ich nicht so sicher,« gab der Diktator auflachend zurück. »Einer von den Vandeleurs wird Ursache dazu haben. Thomas oder Johannes – Peter oder Paul – wir sind alle Apostel.«
    »Ihre Worte sind mir unverständlich,« sagte der Prinz, der seinen Abscheu nicht unterdrücken konnte.
    Im selben Augenblick meldete der Kellner Herrn Vandeleur, daß seine Droschke vor der Türe seiner harre.
    Herr Rolles schaute nach der Uhr und sah, daß auch er fort müsse. Dieser gleichzeitige Aufbruch war ihm unbehaglich, denn er hatte den lebhaften Wunsch, von dem Diamantenjäger nichts mehr zu sehen.
    Da der junge Mann infolge angestrengter Studien etwas nervös war, pflegte er beim Reisen keine Kosten zu sparen; so hatte er auch diesmal ein Sofa in einem Schlafwagen für sich genommen.
    »Sie können sich's recht bequem machen,« bemerkteder Schaffner; »in Ihrem Abteil ist niemand weiter und am andern Ende nur ein alter Herr.«
    Kurz vor Abgang des Zuges, als die Schaffner bereits die Fahrkarten vorzeigen ließen, bekam Herr Rolles seinen Mitreisenden zu Gesicht. Sicher gab es keinen Zweiten auf der Welt, den er nicht lieber gesehen hätte, denn es war – der alte Exdiktator, John Vandeleur.
    Die Schlafwagen der Großen Nordbahn bestehen aus drei Abteilungen, beiderseits ist ein Raum für Fahrgäste und in der Mitte ein Wasch- und Toilettenraum. Rolltüren trennen die Seitenräume von der Toilette, da aber an den Türen keine Riegel und Schlösser angebracht sind, so stehen in Wahrheit jedem Fahrgast alle drei Räume zur Verfügung.
    Als sich Herr Rolles seine Lage klargemacht hatte, erkannte er, daß er wehrlos sei. Wenn der Diktator ihm im Laufe der Nacht einen Besuch abstatten wollte, so konnte er sich dem nicht entziehen. Dieser Gedanke ängstigte ihn ungemein. Mit bangem Herzen erinnerte er sich an die prahlerischen Reden seines Mitreisenden und seine vor dem entrüsteten Prinzen dargelegten unmoralischen Ansichten. Es fiel ihm ein, daß es Leute geben sollte, die die sonderbare Fähigkeit besitzen, die Anwesenheit von Gold und kostbaren Metallen selbst durch Wände hindurch und auf beträchtliche Entfernungen zu merken. Konnte es sich nicht mit Diamanten ebenso verhalten? Wenn dem aber so war, bei wem konnte man den Besitz dieses unbegreiflichen Sinnes mit größerer Wahrscheinlichkeit vermuten als bei dem, der sichselbst mit seinem Beinamen »Diamantenjäger« brüstete? Es war ihm klar, daß er von einem solchen Manne alles zu fürchten habe, und sehnlichst sah er dem Tagesanbruch entgegen.
    Inzwischen versäumte er keine Maßregel der Vorsicht, versteckte seinen Diamanten in der innersten Tasche einer Periode von Überziehern und empfahl sich fromm der himmlischen Vorsehung.
    Wie gewöhnlich sauste der Zug mit gleichmäßiger Schnelligkeit dahin, und es war schon beinahe die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der Schlummer in Herrn Rolles' unruhvolle Brust einzukehren Miene machte. Eine Zeitlang widerstand er ihm, aber der Schlaf gewann mehr und mehr Macht über ihn, und kurz vor York streckte sich der junge Mann auf das Kissen und ließ seine Lider sich senken; fast im selben Augenblick verließ ihn das Bewußtsein, nachdem sein letzter Gedanke noch seinem entsetzlichen Nachbar gegolten hatte.
    Als er erwachte, war es, vom Flackern der verhüllten Lampe abgesehen, noch stockdunkel, und das fortgesetzte Dröhnen und Schwanken zeugte von der unverminderten Schnelligkeit des Zuges. Voll Schreck fuhr Rolles auf, denn die greulichsten Träume hatten ihn gequält. Es dauerte einige Sekunden, bis er die Gewalt über seine Sinne wiedergewann. Auch als er sich nun von neuem niederlegte, kam der Schlaf nicht wieder, und er lag mit heftig arbeitendem Gehirn und offenen, nach der Tür des Waschzimmers gerichteten Augen da. Er zog seinen breitkrempigen Filzhut noch weiter über die Augen,um das Licht abzuhalten, und versuchte die gewöhnlichen Mittel der Schlummerlosen, wie das Zählen bis tausend, um den ersehnten Schlaf herbeizuzwingen. Aber

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