Des Rajahs Diamant
bedachte den Vorschlag gründlich und von den verschiedensten Seiten. Ein wohltuendes Gefühl der eigenen Bedeutung machte ihn noch überlegsamer, aber der Ausgang konnte von vornherein nicht zweifelhaft sein. Sein ganzes fleischliches Ich fühlte sich unwiderstehlich von den jährlich zehntausend Mark mitsamt den zugehörigen Bedingungen angezogen. Er entdeckte in seinem Herzen eine unüberwindliche Abneigung gegen den Namen Scrymgeour, der ihm doch bis dahin ganz und gar nicht unangenehm gewesen war. Er fing an, die engbegrenzten und nüchternen Interessen seines früheren Lebens verächtlich zu finden, und als er sich erst einmal entschlossen hatte, schritt er, von einem ungewohnten Gefühl von Kraft und Freiheit beseelt, einher und nährte seinen Geist mit den schönsten Zukunftsbildern.
Er sagte nur ein Wort zu dem Advokaten und erhielt sofort eine Geldanweisung auf die zwei letztverflossenen Vierteljahre, denn die Schenkung war auf den ersten Januar vordatiert. Mit diesem Schein in der Tasche ging er heim. Die bisherige Wohnungerschien ihm gemein; zum erstenmal rümpfte sich seine Nase beim Geruch der Bratensoße, und es fielen ihm bei seinem Pflegevater gewisse Mängel in der Lebensart auf, die ihn mit Überraschung und fast mit Entrüstung erfüllten. Der nächste Tag schon sah ihn auf dem Wege nach Paris.
Endlich war hier der bestimmte Samstag herangekommen, und er begab sich am Nachmittag zur Kasse der Comédie Française. Kaum hatte er seinen Namen genannt, so überreichte man ihm die Eintrittskarte in einem Umschlag, dessen Aufschrift kaum trocken war.
»Die Karte ist soeben genommen worden,« sagte der Kassenbeamte.
»Wirklich!« sagte Franz. »Darf ich fragen, wie der Herr aussah?«
»Ihr Freund ist leicht zu beschreiben,« erwiderte der andere. »Er ist alt, kräftig, schön, hat weißes Haar und eine Hiebnarbe quer über das Gesicht. Er ist gar nicht zu verkennen.«
»Allerdings,« gab Franz zurück; »und ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit.«
»Er kann noch nicht weit sein,« fügte der Kassierer hinzu. »Wenn Sie sich beeilen, so werden Sie ihn wohl noch einholen.«
Franz ließ sich dies nicht zweimal sagen, eiligst lief er aus dem Theater in die Mitte der Straße und sah sich nach allen Richtungen um. Mehr als ein weißhaariger Wann war zu sehen, aber obwohl er einem nach dem andern näher trat, eine Hiebnarbe hatte keiner. Fast eine halbe Stunde suchte er alleStraßen in der Nähe ab, bis er schließlich weiteres Suchen als unnütz erkannte und nur noch planlos und gedankenlos weiterging, um seine aufgeregten Gefühle zur Nutze zu bringen, denn die anscheinend so nahe Zusammenkunft mit einem Wanne, dem er zweifellos das Dasein verdankte, erschütterte den jungen Mann.
Der Zufall brachte ihn aber seinem Ziele näher als vorher sein eifriges Suchen. Denn als er, absichtslos dahinschlendernd, in den äußeren Boulevard kam, sah er zwei Männer in angelegentlicher Unterhaltung auf einer Bank sitzen. Der eine, jung, von dunklem Teint und hübsch, trug weltliche Kleidung, konnte aber den Geistlichen nicht verleugnen. Der andere entsprach völlig der von dem Kassenbeamten gegebenen Beschreibung. Franz fühlte sein Herz schneller klopfen, er wußte, daß er nun die Stimme seines Vaters hören sollte. Er machte einen Umweg und nahm leise hinter dem Paare, das viel zu sehr in seine Unterhaltung vertieft war, um ihn zu bemerken, Stellung. Wie Franz erwartet hatte, bedienten sie sich der englischen Sprache.
»Ihr Verdacht bringt mir schließlich das Blut in Wallung, Rolles,« sagte der Ältere. »Ich sage Ihnen, ich tue mein Äußerstes, man kann doch nicht im Augenblick seine Hand auf Millionen legen. Habe ich nicht aus reiner Gutwilligkeit mich Ihrer, der mir ganz fremd war, angenommen? Leben Sie nicht fast ausschließlich auf meine Kosten?«
»Auf Ihre Vorschüsse, Herr Vandeleur,« fiel der andere ein.
»Vorschüsse, wenn Sie lieber wollen, und Interesse anstatt Gutwilligkeit, wenn es Ihnen so beliebt!« rief Vandeleur zornig. »Ich will mich hier nicht um Ausdrücke streiten. Geschäft ist Geschäft, und Ihr Geschäft ist, vergessen Sie das nicht, zu schmutzig, als daß Sie sich noch aufs hohe Pferd setzen könnten. Entweder vertrauen Sie mir, oder Sie lassen mich in Frieden und suchen sich sonst jemand, aber um's Himmels willen, hören Sie mir mit Ihren Jeremiaden auf!«
»Ich fange an, die Welt kennenzulernen,« versetzte der Jüngere, »und ich sehe, daß Sie viele Gründe haben,
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