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Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Seufzer, dem, da seine Kehle infolge der fortgesetzten Anspannung trocken und seine Brust beklommen war, ein Husten folgte.
    Herr Vandeleur blickte auf, sein Gesicht verzerrte sich unter dem Einfluß der finstersten, schrankenlosesten Leidenschaft, seine Augen öffneten sich weit, und das Sinken seines unteren Kinnbackens zeugte von einem an Wut grenzenden Erstaunen. Mit einer unwillkürlichen Bewegung hatte er die Hutschachtel mit dem Mantel bedeckt. Eine halbe Minute lang starrten beide einander stillschweigend an. In diesen wenigen Minuten entschloß sich Herr Rolles, der die Gabe zeigte, in gefährlichen Lagen schnell zu denken, zu einem äußerst waghalsigen Vorgehen, und obschon er sich bewußt war, sein Leben aufs Spiel zu setzen, brach er zuerst das Schweigen.
    »Ich bitte um Verzeihung,« sagte er.
    Der Diktator bebte sichtlich, und mit heiserer Stimme fragte er:
    »Was wollen Sie hier?«
    »Ich interessiere mich ausnehmend für Diamanten,« erwiderte Herr Rolles mit der Miene vollkommenster Selbstbeherrschung. »Zwei Kenner sollten miteinander bekannt werden. Ich habe hier auch eine Kleinigkeit, die vielleicht zu meiner Beglaubigung als Diamantenfreund dienen kann.«
    Hierbei nahm er ruhig das Futteral aus seiner Tasche, zeigte dem Diktator einen Moment den Diamantendes Rajahs und brachte ihn wieder in Sicherheit.
    »Er gehörte einmal Ihrem Bruder,« fügte er hinzu.
    John Vandeleur fuhr fort, ihm Blicke fast schmerzlicher Überraschung zuzuwerfen, aber verharrte starr und stumm.
    »Ich habe zu meiner Freude bemerkt,« nahm der junge Mann das Wort, »daß wir Edelsteine aus derselben Sammlung haben.«
    Der Diktator wurde von Erstaunen überwältigt. »Verzeihen Sie,« sagte er; »ich merke, daß ich alt werde! Auf derartige kleine Zwischenfälle bin ich in der Tat nicht vorbereitet. Aber geben Sie mir über eins Auskunft: Täuschen mich meine Augen, oder sind Sie wirklich ein Geistlicher?«
    »Ich habe die Weihen empfangen,« antwortete Herr Rolles.
    »Nun,« schrie der andere, »solange ich lebe, soll niemand wieder etwas gegen den Talar sagen.«
    »Sie schmeicheln mir,« sagte Herr Rolles.
    »Bitte sehr,« erwiderte Vandeleur, »bitte sehr, junger Mann. Sie sind kein Feigling, aber es bleibt noch eine Frage, ob Sie nicht der allerschlimmste Narr sind. Sie sind vielleicht so freundlich,« fuhr er fort und lehnte sich in seinen Sitz zurück, »und beantworten mir ein paar Fragen. Ich muß annehmen, Sie hatten bei Ihrer erstaunlich unverschämten Handlungsweise ein bestimmtes Ziel, und ich gestehe, die Neugier treibt mich, es kennenzulernen.«
    »Das ist äußerst einfach,« versetzte der Gottesmann;»es entspringt aus meinem großen Mangel an Lebenserfahrung.«
    »Wie ist dies zu verstehen?«
    Hierauf erzählte ihm Herr Rolles die ganze Geschichte seiner Beziehungen zum Diamanten des Rajahs, von dem Moment an, wo er ihn in Raeburns Garten fand, bis zu dem Zeitpunkt, als er London mit dem Blitzzug verließ. Er knüpfte daran eine gedrängte Schilderung seiner Gefühle und Gedanken während der Reise und schloß mit folgenden Worten:
    »Als ich das Diadem erkannte, wußte ich, daß wir beide der menschlichen Gesellschaft gegenüber die gleiche Stellung einnehmen, und dies erfüllte mich mit einer Hoffnung, von der ich fest glaube, sie wird sich nicht als unbegründet erweisen, der Hoffnung, Sie würden gewissermaßen mein Geschäftspartner werden und mit mir die Gefahren und Schwierigkeiten und natürlich auch den zu erhoffenden Gewinn teilen. Für einen, der Ihre Fachkenntnisse und reiche Erfahrung besitzt, wäre die Verwertung des Diamanten eine verhältnismäßig leichte Aufgabe, während sie für mich geradezu ein Ding der Unmöglichkeit ist. Auf der andern Seite war ich der Meinung, beim Zerschneiden des Diamanten mit meiner ungeübten Hand würde ich wohl nicht weniger verlieren, als mich so eine angemessene Vergeltung für Ihren Beistand kosten würde. Das Thema ist etwas heikler Natur, und vielleicht bin ich zu sehr mit der Tür ins Haus gefallen, aber die Lage war für mich eine völlig ungewohnte, und ich war mit den hierbei üblichen Formen ganz unvertraut. Ich glaube, ohne Überhebung,ich hätte Sie ganz vorschriftsmäßig verheiraten oder taufen können; aber jeder hat seine besonderen Fertigkeiten, und das vorliegende Geschäft fällt ganz und gar aus dem Rahmen der von mir bisher erworbenen Kenntnisse.«
    »Ich will Ihnen nicht schmeicheln,« versetzte Vandeleur; »aber Sie haben, auf mein

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