Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Des Rajahs Diamant

Titel: Des Rajahs Diamant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
in diesem Falle war alle Mühe umsonst, denn Rolles schwebte in tausend Ängsten, der Gedanke an den Alten am andern Ende des Wagens verfolgte ihn in hunderterlei verschiedenen Formen, und der Diamant in seiner Tasche verursachte ihm, er mochte ihn legen, wie er wollte, ein fühlbares physisches Unbehagen. Er brannte ihn, er war zu groß, er quetschte ihm die Rippen, und es kamen mehr wie einmal blitzartig vorübergehende Momente, in denen er sich halb bewogen fühlte, ihn aus dem Fenster zu werfen.
    Während er so dalag, trug sich etwas Sonderbares zu.
    Die Rolltür bewegte sich ein wenig und dann noch ein wenig und war schließlich etwa zwanzig Zoll weit aufgezogen. Die Lampe im Zwischenraum war nicht verhüllt, und in der so beleuchteten Öffnung konnte Rolles Herrn Vandeleurs Gesicht, auf dem sich der Ausdruck höchster Spannung widerspiegelte, bemerken. Er war sich bewußt, daß der Blick des Diktators an ihm haftete, und der Instinkt der Selbsterhaltung bewog ihn, seinen Atem zurückzuhalten, bewegungslos dazuliegen, seine Augenlider halb zu schließen und seinen Gast zwischen den Wimpern hindurch zu beobachten. Im nächsten Augenblick wurde der Kopf zurückgezogen und die Tür wieder zugeschoben.
    Der Diktator hatte keinen Angriff im Sinne gehabt,sondern nur beobachten wollen; er handelte nicht wie einer, der gegen andere etwas im Schilde führt, sondern wie einer, der sich selbst bedroht fühlt. Er war anscheinend nur gekommen, um sich zu überzeugen, ob sein einziger Mitreisender im Schlafe liege, und hatte sich, nachdem er diese Überzeugung gewonnen, sofort zurückgezogen.
    Der Geistliche sprang auf. Der höchste Schrecken hatte bei ihm unvermittelt der entgegengesetzten Stimmung, dem dreistesten Wagemute, Platz gemacht. Er bedachte, daß das Rasseln des Schnellzuges jeden andern Ton verschlinge, und beschloß, komme, was wolle, den Besuch zu erwidern. Er warf seinen Mantel ab, der seine freie Bewegung hindern konnte, trat in den Waschraum und stand still, um zu horchen. Wie er erwartet hatte, war nichts zu hören außer dem Tosen des fortrasenden Zuges. Dann legte er seine Hand vorsichtig auf den Knopf der andern Rolltüre und zog sie leise etwa sechs Zoll zurück. Als er durch den Spalt einen Blick auf sein Gegenüber warf, konnte er einen leisen Ausruf des Erstaunens nicht unterdrücken.
    John Vandeleur trug eine Pelzreisemütze mit Ohrklappen, und dies mochte ihn im Verein mit dem Dröhnen des vorwärtsstürmenden Zuges gehindert haben, Rolles' Annäherung zu bemerken. Auf alle Fälle hob er seinen Kopf nicht und fuhr in seiner sonderbaren Beschäftigung unbeirrt fort. Zwischen seinen Füßen stand eine offene Hutschachtel; in einer Hand hielt er den Ärmel seines Überziehers von Seehundsfell und in der andern ein fürchterlichesMesser, mit dem er soeben das Futter des Ärmels aufgetrennt hatte. Herr Rolles hatte von Leuten gelesen, die ihr Geld in Gürteln bei sich trugen, und da er nur Gürtel, wie man sie beim Kricketspiel braucht, kannte, so hatte er sich niemals eine rechte Vorstellung von dieser Art der Geldverwahrung machen können. Aber hier bot sich seinen Augen noch ein seltsameres Schauspiel, denn John Vandeleur trug, wie es schien, seine Diamanten im Ärmelfutter, und gerade, wie der junge Diener Gottes hinschaute, sah er einen glitzernden Diamanten nach dem andern in die Hutschachtel fallen.
    Er stand da wie festgenagelt und folgte dieser ungewöhnlichen Verrichtung mit den Augen. Die Diamanten waren zumeist klein und weder in Form noch in Feuer voneinander sehr verschieden. Dann aber schien der Diktator auf eine Schwierigkeit zu stoßen; er brauchte beide Hände und neigte sich tiefer herab, aber erst nach vielem Mühen brachte er aus dem Futter ein großes diamantbesetztes Diadem hervor, das er ein paar Sekunden betrachtete, ehe er es zu dem übrigen in die Hutschachtel legte. Das Diadem ließ in Herrn Rolles' Geist ein Licht aufgehen, er erkannte es sofort als zu den Schmuckstücken gehörig, die der herumlungernde Strolch Harry Hartley gestohlen hatte. Es war kein Irrtum möglich, es entsprach genau der Beschreibung des Geheimpolizisten. Da waren die Rubinsterne mit einem großen Smaragd in der Mitte, die funkelnden Halbmonde, die perlenähnlichen Gehänge, je aus einem besonders wertvollen Steine bestehend.
    Herr Rolles hatte das Gefühl großer Erleichterung. Der Diktator saß ebensotief in der Tinte wie er selbst; keiner hatte dem andern etwas vorzuwerfen. Es entfuhr ihm ein tiefer

Weitere Kostenlose Bücher