Des Rajahs Diamant
Wort, ein ungewöhnliches Talent für eine Verbrecherlaufbahn. Ihre Fähigkeiten sind umfassender, als Sie meinen; und obwohl ich eine gute Zahl von Schurken an allen Enden der Welt getroffen habe, ist mir doch noch niemals ein so schamloser vorgekommen wie Sie. Glück auf, Herr Rolles, Sie sind jetzt wenigstens im richtigen Fahrwasser. Was meinen Beistand betrifft, so können Sie über mich verfügen. Ich muß nur einen Tag auf ein kleines Geschäft verwenden, das ich für meinen Bruder in Edinburg zu besorgen habe. Ist dies getan, so gehe ich nach Paris zurück, wo ich gewöhnlich meinen Wohnsitz habe. Wenn Sie wollen, können Sie mich dorthin begleiten. Und ehe der Monat um ist, werde ich, denk' ich, auch Ihr kleines Geschäft zu befriedigendem Abschluß gebracht haben.«
Drittes Kapitel
Das Haus mit den grünen Jalousien
Franz Scrymgeour, ein Angestellter der Bank von Schottland in Edinburg, hatte im Rahmen eines ruhigen, ehrenhaften und häuslichen Lebens das fünfundzwanzigste Lebensjahr erreicht. Seine Mutterwar gestorben, als er noch Kind war, aber sein Vater, ein verständiger, redlicher Wann, hatte ihm eine gute Schulbildung zuteil werden lassen und erzog ihn auch daheim zu einem ordentlichen und bescheidenen Menschen. Franz zeigte sich daher auch stets eifrig und pflichtgetreu und gab sich mit Herz und Seele seinen geschäftlichen Obliegenheiten hin. Er stieg daher rasch in der Gunst seiner Vorgesetzten und erfreute sich bereits eines jährlichen Gehalts von etwa viertausend Mark, während ihm die Aussicht winkte, es einmal fast auf den doppelten Betrag zu bringen.
Eines Tages erhielt Franz eine Mitteilung von einer bekannten Advokatenfirma, durch die man ihn zu einer dringenden Besprechung einlud. Als Franz der Aufforderung Folge leistete, empfing ihn der erste Inhaber der Firma und eröffnete ihm mit dürren Worten, eine Person, die ungenannt bleiben müsse, wolle Franz eine Jahresrente von zehntausend Mark zukommen lassen. An diese Schenkung seien zwei Bedingungen geknüpft.
»Die Bedingungen,« fuhr der Advokat fort, »sind etwas ungewöhnlicher Natur. In der Tat würde ich mich wohl gar nicht auf die Sache eingelassen haben, wäre mein Auftraggeber nicht ein angesehener und ehrenhafter Mann.«
»Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich darauf brenne, diese Bedingungen kennenzulernen,« sagte Franz.
»Es sind ihrer zwei,« versetzte der Advokat, »nur zwei, und die Summe, vergessen Sie nicht, beläuft sich auf jährlich zehntausend Mark. Die erste Bedingungist höchst einfach. Sie müssen Sonntagnachmittag den Fünfzehnten in Paris sein; dort werden Sie an der Theaterkasse der Comédie Française eine auf Ihren Namen gelöste Eintrittskarte erhalten. Sie werden gebeten, während der ganzen Vorstellung in der betreffenden Loge zu bleiben, und das ist alles. Die andere Bedingung ist von größerer Bedeutung,« fuhr der Advokat fort. »Sie betrifft Ihre Verheiratung. Mein Auftraggeber, dem Ihre Wohlfahrt sehr am Herzen liegt, will Ihnen in der Wahl Ihrer Lebensgefährtin unbedingt einen Rat geben. Unbedingt, Sie verstehen,« wiederholte er.
»Wir scheint,« sagte Franz, »man muß abwarten, ob sich nicht das Ganze als unwürdige Posse erweist. Die nähern Umstände sind unerklärlich – fast hätte ich gesagt, unglaublich; und bis ich etwas mehr Licht und einen annehmbaren Beweggrund sehe, würde ich, gestehe ich, nur sehr ungern meine Hand zur Ausführung leihen. In dieser Verlegenheit ersuche ich Sie um Auskunft. Ich muß erfahren, was dieser ganzen Geschichte zugrunde liegt. Wenn Sie mir das nicht sagen können oder dürfen, so nehme ich meinen Hut und gehe zu meiner Bank ebenso, wie ich gekommen bin, zurück.«
»Ich weiß es nicht gewiß,« antwortete der Anwalt, »aber ich kann mir den Zusammenhang wohl denken.«
Hierauf teilte der Sachwalter dem aufs höchste verwunderten Franz mit, daß er gar nicht Herrn Scrymgeours Sohn sei, und daß die ganze Sache nach seiner festen Überzeugung von Franzens unbekanntem Vater ausgehe.
Es wäre unmöglich, Franz Scrymgeours Überraschung bei dieser unerwarteten Mitteilung zu übertreiben. Ganz verwirrt sagte er zu dem Anwalt:
»Nach einer so erstaunlichen Nachricht müssen Sie mir ein paar Stunden zur Sammlung gönnen. Sie sollen heute abend erfahren, wozu ich mich entschlossen habe.«
Der Advokat lobte seine Besonnenheit, und Franz machte, nachdem er sich in seinem Bankgeschäft entschuldigt hatte, einen längeren Spaziergang ins Freie und
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