Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
wird. Das ist nichts anderes
als eine massive Schwächung der Verhandlungsposition von Arbeitslosen. Das Ergebnis ist Ungleichheit zulasten der Unter- und
Mittelschichten. Das sind genau die Schichten, die im Wesentlichen von ihren Arbeitseinkommen leben müssen. Dies ist in meinen
Augen nicht nur ein eklatanter Verstoß gegen Gerechtigkeitsprinzipien, es verstößt auch gegen die Normen der Arbeitsgesellschaft.
Dass die vorherrschende ökonomische Lehre in Deutschland gesellschaftliche Normen vernachlässigt, ist aber nur der eine Fehler.
Bedenklich ist auch, dass soziale Risiken nicht berücksichtigt werden. Was das heißt, lässt sich an den Themen »Anreize zur
Aufnahme von Arbeit« und »Lohnzurückhaltung« gut aufzeigen. Ein soziales Risiko tritt ein, wenn die gesamte Wirtschaft von
einem negativen Einfluss betroffen wird, der die wirtschaftliche Aktivität lähmt. Man kann das auch als gesamtwirtschaftlichen
Schock bezeichnen. Es kann sich dabei um einen weltwirtschaftlich bedingter Nachfrageeinbruch oder eine massive und plötzliche
Verteuerung der Rohstoffpreise handeln – also einen Nachfrageschock oder einen Angebotsschock. Die Ursache für die Schwäche
ist in beiden Fällen jedenfalls nicht in der Binnenwirtschaft zu suchen. Was schlagen die Lehrbücher in diesen Fällen vor?
Nichts anderes als die erwähnten Maßnahmen, als da |68| wären: Die Arbeitslosen müssen unter Druck gesetzt werden, dann finden sie schneller eine neue Beschäftigung, und die Beschäftigten
müssen ihre Löhne nur hinreichend senken, dann können sie ihren Arbeitsplatz höchstwahrscheinlich behalten. Klingt eigentlich
ganz gut – und logisch.
Der Blick auf das Ganze
In dieser Argumentation steckt jedoch ein weiterer grundlegender Denkfehler: Die gängigen Lehrmeinungen haben immer nur das
einzelne Unternehmen im Blick. Ein soziales Risiko besteht aber vielmehr darin, dass es mehr oder minder alle betrifft. Wenn
also als Folge solcher allgemeinen Entwicklungen alle Unternehmen unter Absatzmangel oder Kostendruck leiden, sind die Zusammenhänge
einfach anders als bei einer einzelwirtschaftlichen Betrachtungsweise. Ich bin sicher: Wenn Arbeitslose bei einem Nachfrageeinbruch
stärker unter Druck gesetzt werden, nützt dies überhaupt nichts. Denn hierdurch steigt der notleidende Absatz der Unternehmen
um keine einzige Einheit an. Folglich wird auch die Nachfrage nach Arbeit um keine einzige Minute steigen. Der Druck auf die
Arbeitslosen geht also ins Leere. Ist der Druck zu stark, wird die Krise sogar verschärft. Dann geraten die Löhne der Beschäftigten
auch unter Druck und damit deren Einkommen. Sie müssen ihre Nachfrage reduzieren, so verschärft sich der Absatzmangel der
Unternehmen und sie müssen sogar mehr Beschäftigte entlassen, als der ursprüngliche Schock erfordert hätte. Ein echter Teufelskreis.
Nun könnte man einwenden, dass diese Überlegungen nur in einer geschlossenen Volkswirtschaft, also einer Volkswirtschaft ohne
Außenhandel und ohne internationale Konkurrenz, gültig wären. In der Realität stünde die deutsche Wirtschaft aber im internationalen
Wettbewerb. Gerade durch Lohnzurückhaltung würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Dadurch ließe sich bei
Preisvorteilen, die durch Lohnzurückhaltung erzielt wurden, der |69| Gesamtabsatz sehr wohl durch vermehrte Exporte steigern – selbst wenn der inländische Absatz aufgrund der gedrückten Einkommen
dort zurückginge. Das Fazit aus dieser Argumentation: Die einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise fände vor dem Hintergrund
der internationalen Handelsverflechtungen quasi eine Rechtfertigung auf höherer Ebene. Es gehe zwar nicht mehr um das einzelne
Unternehmen oder den einzelnen Haushalt, aber es gehe um die einzelne Volkswirtschaft im globalen Wettbewerb. Kann man das
so stehen lassen?
Zweifellos steht die deutsche Volkswirtschaft im globalen Wettbewerb. Gelten dann also für die gesamte Volkswirtschaft die
gleichen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten wie für einzelne Unternehmen? Die Antwort muss immer noch »Nein« lauten. Eine einzelne
Volkswirtschaft kann nur dann auf dem beschriebenen Weg die erhofften Vorteile erlangen, wenn die anderen Volkswirtschaften
nicht in gleicher Weise agieren. Nur wenn es keine globale Lohnzurückhaltung gibt, lässt sich durch nationale Lohnmäßigung
der Absatz zulasten der anderen Volkswirtschaften steigern. Da frage ich mich doch:
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