Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Wettervorhersage. Vor Ort können viele Besonderheiten dazu
führen, dass das lokale Wetter von der besser vorhersagbaren Großwetterlage abweicht. Eine solche Vorhersage würde also nur
falsche Sicherheit geben. Außerdem steht der Aufwand einer solchen Prognose in keinem Verhältnis zu ihrem Ertrag. Also ist
es ökonomisch rational, ohne eine aufwendige Prognose einfach loszugehen.
|78| Genau so handeln viele Menschen auch im Wirtschaftsleben; sie gehen intuitiv vor. Vor dem Hintergrund der unklaren Verhältnisse
und der Unwägbarkeiten der Zukunft ist diese Entscheidung in der Regel im Alltag ebenso vernünftig wie ein Spaziergang ohne
Wetterprognose. Es gibt aber natürlich nicht nur den Alltag und die Routine. Zuweilen stehen besondere oder ungewöhnliche
ökonomische Entscheidungen an – zum Beispiel der Kauf eines neuen Auto oder eines Hauses. Dann empfiehlt sich ein differenzierteres
Vorgehen. Je größer das ökonomische Vorhaben gemessen am eigenen Budget ist, desto mehr lohnt es sich, weitere Informationen
einzuholen. Das können Preisvergleiche sein oder etwa Erkundigungen nach der Seriosität des Anbieters.
Mithilfe solcher relativ einfachen Maßnahmen lassen sich grobe und fahrlässige Fehler mit einer gewissen Sicherheit vermeiden.
Das gilt insbesondere, wenn es sich um den Kauf standardisierter Produkte handelt, die man aus dem Alltag genau kennt. In
diesen Fällen ist das Problem der Unsicherheit nur von untergeordneter Bedeutung. Wenn aber ein Unternehmen plant, Investitionen
in ein völlig neues Produktionsverfahren zu tätigen, dann spielt die Unsicherheit eine dominierende Rolle. Unter diesen Umständen
lohnen sich wesentlich aufwendigere Verfahren, um den Unsicherheitsfaktor zu reduzieren. Gutachten von Unternehmensberatern,
Meinungen von Analysten und eigene Marktstudien sind übliche Methoden. Angesichts der chaotischen Struktur von Wirtschaft
– und weil sie im Grunde doch unvorhersehbar ist – bleibt aber immer ein hohes Maß an Unsicherheit bestehen. Genau das ist
das sprichwörtliche unternehmerische Risiko, das dem Unternehmen niemand abnehmen kann.
Was Risiko bedeutet
Es ist im Grunde die Funktion des Unternehmers, in einer Marktwirtschaft Risiken zu übernehmen. Dafür wird er im Erfolgsfall
reichlich belohnt, wenn er hohe Gewinne macht. In Fall eines Misserfolgs |79| wird er vom Markt verschwinden. Die Funktion eines marktwirtschaftlichen Risikoträgers ist mit dem Gerechtigkeitskriterium
von John Rawls, das ich schon an anderer Stelle für die Bezahlung von abhängig Beschäftigten herangezogen habe, perfekt vereinbar.
Wenn ein Unternehmer durch ein neues Produkt oder ein neues Produktionsverfahren Erfolg hat, dann profitiert ja nicht nur
er davon. Auch die Menschen, die dank seiner Innovationen in seinem Unternehmen zusätzlich Beschäftigung finden und damit
zusätzlich Einkommen erzielen, sind an diesem Erfolg beteiligt.
Bei fundamentaler Unsicherheit ist die Bereitschaft des einzelnen Unternehmers, Risiken zu übernehmen, auch gesamtwirtschaftlich
von großer Bedeutung. Nur wenn diese Bereitschaft existiert, wird sich eine Volkswirtschaft auf einem dynamischen Wachstumspfad
bewegen, auf dem Wohlstand und Beschäftigung fortwährend zunehmen. Dass ein Unternehmer risikobereit ist, zeigt sich, materiell
gesehen, darin, dass er Investitionen tätigt. Auf diese Weise erzeugt er gesamtwirtschaftliche Nachfrage und trägt damit zum
Wachstum bei. Erfolgreiche Investitionen steigern in der Regel auch die gesamtwirtschaftliche Produktivität. Das heißt: Mit
den gegebenen volkswirtschaftlichen Ressourcen kann mehr produziert werden. Die Volkswirtschaft ist also leistungsfähiger
geworden und kann somit mehr Wohlstand erzeugen. Folglich hat sich nicht nur die Nachfrage erhöht – auch die Angebotsbedingungen
haben sich verbessert.
Beides erzeugt höhere Einkommen mit höherer Kaufkraft. Das bedeutet, dass ohne Investitionen, in denen sich die Risikobereitschaft
von Unternehmen ausdrückt, auf Dauer ein gesamtwirtschaftliches Wachstum nicht möglich ist. Eine Volkswirtschaft ohne Risikobereitschaft
stagniert und schrumpft auf Dauer sogar, sobald die Produktionsanlagen veralten. Die Bedingungen sind damit weder für die
Nachfrage noch für das Angebot günstig. Deshalb ist es eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Herausforderungen, diese
Risikobereitschaft zu unterstützen.
Umso erstaunlicher ist es aus meiner
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