Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Informationen
über rentable Investitionsprojekte in der Realwirtschaft erzeugt. Das hört sich für mich auch alles ganz richtig an – wenn
es da nicht das Problem der fundamentalen Unsicherheit gäbe.
Gerade wenn Preise und auch die Mengen sich sehr flexibel und das heißt schnell bewegen, besteht ein besonders hohes Maß an
Unsicherheit. Der Kurs eines Wertpapiers von morgen muss mit dem von heute nicht mehr viel zu tun haben. Man kann also aus
aktuellen Daten oder gar Werten aus der Vergangenheit relativ wenig für die Daten und Werte der Zukunft lernen. Viele Wissenschaftler
sehen das sogar als ein Merkmal besonders hoher Markteffizienz an. Aus ihrer Sicht zeigt das, dass die Finanzmärkte nur auf
aktuelle Informationen reagieren. Die Informationen aus der Vergangenheit haben sie schon längst verarbeitet; sie spielen
keine Rolle mehr. Die kurzfristige Orientierung der Kursbewegungen wird also als ein Indiz für eine besonders rasche Informationsverarbeitung
interpretiert.
Aber genau deshalb stellt sich mir umso dringender die Frage nach dem zu erwartenden Preis und den verfügbaren Angebots- und
Nachfragemengen. Auf einem solchen Markt müssen Erwartungen eine besonders wichtige Rolle für das aktuelle Marktgeschehen
spielen. Sie könnten ein Anker für Investoren sein, an dem sich ihre Kauf- und Verkaufswünsche orientieren. Worauf aber beruhen
diese Erwartungen, wenn die Vergangenheit keine Rolle spielt und nur die Gegenwart zählt? Die Antwort ist sehr schlicht: Sie
beruhen auf der Interpretation der tagesaktuellen Daten. Die Erwartungen sind folglich genauso instabil wie die aktuellen
Kursentwicklungen. Sie sind kein Anker für irgendetwas. Sie erinnern mich an ein Stochern im Nebel.
Mit Blick auf die gängigen Marktmodelle liegt die Frage nahe, ob solche Erwartungen überhaupt noch rational genannt werden
können. In einem rein technischen Sinn sind sie rational. Es werden schließlich alle zur Verfügung stehenden Informationen
effizient genutzt. Das Problem ist jedoch: Es gibt kaum verlässliche Informationen. Anders als beim üblichen Ansatz von rationalen
Erwartungen |83| existiert für diesen Bereich kein Modell, das einen Pfad systematischer Tendenzen ebnet. Der Marktteilnehmer kann sich an
nichts orientieren. Alles ist Zufall. Insofern ist das Konzept rationaler Erwartungen, das für die Realwirtschaft in den gängigen
Ansätzen so wichtig ist, auf den Finanzmärkten bestenfalls nur noch entkernt denkbar.
Vom Umgang mit Risiken
Damit öffnet sich aber die Büchse der Pandora für einen völlig neuen Denkansatz. Sind Märkte in Unsicherheit vielleicht irrational
und eher von Gefühlen als von nüchterner Kalkulation geprägt? Auch wenn sich zahllose Analysten, Experten und Gurus bemühen
und nochmals bemühen, möglichst sichere Informationen über den zukünftigen Wert von Finanzanlagen zu erlangen – es bleibt
trotz der Fülle an Informationen ein erhebliches Restrisiko bei fast allen Finanzanlagen bestehen. Die entscheidende Frage
ist: Wie gehen Märkte mit diesem Restrisiko um?
Manche flüchten sich in mehr oder minder aufwendige Datenanalysen. Diese auch als Chartismus bekannte Methode versucht, Trends
aus den Daten der Vergangenheit zu berechnen. Diese werden dann meist anhand schönster Grafiken und Charts der Öffentlichkeit
oder exklusiven Anlegern präsentiert. Sie dienen als Maßstab, um die aktuellen Daten zu beurteilen. Liegen sie über dem Trend,
ist tendenziell ein Rückgang zu erwarten, liegen die Kurse darunter, muss man eher mit einem Anstieg rechnen. Aber auch der
Trend kann sich ändern und damit auch der Beurteilungsmaßstab. Die Berechnung flexibler Trends entschärft zwar dieses Problem,
sie erzeugt aber eine höhere Unsicherheit darüber, in welche Richtung sich der Trend wohl bewegt. Trotz aller eifrigen Bemühungen
ist also auch mit dieser scheinbar exakten Methode keine Sicherheit zu gewinnen.
Letztendlich bleiben zwei Alternativen: Entweder man folgt, ähnlich wie beim Spaziergang unter unsicheren Wetterbedingungen, |84| seinem eigenen Gefühl, oder man verlässt sich auf das Gefühl der anderen. Beide Verhaltensweisen gibt es auf den Finanzmärkten.
Sich ausschließlich auf das eigene Gefühl zu verlassen ist die unsicherere Variante. Schließlich bilden sich die Kurse an
den Finanzmärkten als Folge der Einschätzungen und Urteile vieler. Selbst wenn man also die ökonomische Analyse der Mehrheit
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