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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav A Horn
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     den Leistungsbilanzen der großen Volkswirtschaften, beschäftigen. Ein gutes Beispiel sind wiederum die Entwicklungen in Deutschland
     und den USA und vor allem die Krisenphänomene innerhalb des Euroraums. Die USA und Deutschland gingen in völlig unterschiedliche
     Richtungen – und genau das ist aus meiner Sicht ein Problem für die Weltwirtschaft. Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten
     schlugen auch unterschiedliche Wege ein, was zu tiefen Verwerfungen innerhalb der Europäischen Währungsunion führte. Ich möchte
     hier zunächst einen Blick auf Europa werfen.
    In ihrem Bemühen, Jobs um (fast) jeden Preis zu schaffen, erzeugte die Wirtschaftspolitik in Deutschland einen massiven Lohndruck
     nach unten. Die binnenwirtschaftliche Wirkung dieses verstärkten Drucks war zwar dämpfend. Außenwirtschaftlich entfaltete
     er jedoch für sich genommen positive Wirkungen. Kein anderes Land innerhalb der Europäischen Währungsunion konnte seine internationale
     Wettbewerbsfähigkeit seit 1999 so stark steigern wie Deutschland. Um das zu verstehen, muss man sich etwas näher mit der Theorie
     beschäftigen.
    Die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit ergibt sich dabei aus dem Verhältnis von Lohnzuwächsen zur Zunahme der Produktivität.
     Das Erste bildet die Kostenentwicklung ab; das Zweite die Zunahme der Leistungsfähigkeit. Solange Kosten und Leistungsfähigkeit
     sich im Gleichschritt entwickeln, bleibt diese Größe unverändert. In der Vergangenheit bestand immer eine enge Beziehung zwischen
     den Lohnstückkosten und den Preisen in einer Volkswirtschaft. Das ist |104| auch plausibel. Steigen die Lohnstückkosten, liegt der Lohnzuwachs also über dem Produktivitätszuwachs, müssen Unternehmen
     ihre Preise anheben, um ihre Rendite zu halten. Das geschieht in der Tendenz eher schneller. Umgekehrt können sie ihre Preise
     senken, ohne dass sich die Rentabilität verschlechtert. Das geschieht in der Tendenz eher langsamer.
    In Deutschland blieben die Lohnzuwächse gesamtwirtschaftlich auf Dauer deutlich hinter dem Produktivitätszuwachs zurück. Das
     wurde durch die schwächsten Lohnsteigerungen innerhalb des Euroraums erreicht. Ich finde es immer noch bemerkenswert, in welchem
     Ausmaß in der stärksten Volkswirtschaft des Kontinents Lohndruck ausgeübt wurde. Die gesamte Wirtschaftspolitik des vergangenen
     Jahrzehnts war darauf ausgerichtet, durch Druck auf die Löhne die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern (Abbildung
     6). Der Preis dafür war eine massive Schwächung der Arbeitseinkommen.
    Für die Europäische Währungsunion ergibt sich eine klare Leitlinie, wie sich die Lohnstückkosten entwickeln sollten. Diese
     ist durch den Zusammenhang mit der Preisbildung gegeben. Da die EZB Preisstabilität als eine Inflationsrate von unter 2 Prozent
     definiert, gilt auf längere Sicht, dass die Lohnstückkosten um die gleiche Rate steigen sollten – nicht mehr und nicht weniger.
     Alles andere würde auf Dauer die Preisstabilität verletzen. Steigen sie schneller, müsste die EZB die Zinsen erhöhen und damit
     die Wirtschaft so lange bremsen, bis Löhne und Preise wieder auf die Leitlinie zurückkehrten. Stiegen sie langsamer, müsste
     die EZB die Zinsen senken, um die Wirtschaft zu stimulieren, sodass höhere Löhne und Preise möglich wären. Diese Regel gilt
     prinzipiell für die Europäische Währungsunion als Ganzes, nicht aber für jede einzelne Volkswirtschaft.
    Und genau darin liegt das Problem. In den einzelnen Ländern des Euroraums wurde von der Wirtschaftspolitik diese Benchmark
     zu wenig beachtet, wenn man sie überhaupt ins Kalkül zog. Abbildung 7 zeigt dies. In Ländern wie Spanien und Griechenland
     lagen seit Beginn der Währungsunion die Lohnzuwächse deutlich über der mit Preisstabilität zu vereinbarenden Marge. Die hohen
     Lohnsteigerungen |105| wurden immer wieder hingenommen, weil es zugleich Länder gab, die die Preisstabilität von unten verletzten: Ihre Inflationsraten
     lagen fast ständig unterhalb der von der EZB für optimal gehaltenen Rate. Dazu gehörte vor allem Deutschland, das Land mit
     dem hohen Lohndruck. Im Gesamtbild der Währungsunion schien die Welt in Ordnung zu sein, denn die Inflationsrate für den Euroraum
     insgesamt entsprach mit nur geringfügigen Abweichungen dem Ziel für Preisstabilität der EZB.
    Die Unterschiede zwischen den Ländern hatten jedoch Folgen. Es ist klar, dass Länder mit einer sich immer weiter verschlechternden
    

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