Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
lange gut, bis ihre
Erwartungen enttäuscht werden. Dann setzt die Abwärtsbewegung ein. Die Anleger suchen nun nach immer sichereren Anlagen und
verzichten auf höhere Renditen. Sie flüchten geradezu in vermeintlich risikoarme Anlagen. Im Extremfall halten sie ihr Geld
als Bargeld oder Sichteinlage auf ihrem Konto, also möglichst liquide. Sie verzichten dann zwar auf jeglichen Zinsertrag,
aber sie haben ihr Geld jederzeit verfügbar. Weitet sich die Flucht in die Liquidität zur Stampede einer in Panik versetzten
Herde, stehen den Kreditmärkten bald |97| keine finanziellen Mittel mehr zur Verfügung. Es droht eine Kreditklemme und, falls sich das Unsicherheitsgefühl auf die Unternehmen
ausgebreitet hat, auch der Absturz der Kreditnachfrage. Beides führt zum Abbruch des realwirtschaftlichen Investitionsprozesses
und damit in eine tiefe Krise.
Was ich hier für den wohlhabenden privaten Haushalt geschildert habe, gilt prinzipiell auch für den professionellen institutionellen
Anleger. Was er tut, findet nur auf einer höheren Ebene statt. Er sammelt das Geld der Wohlhabenden und legt es mit möglichst
hoher Rendite an. Diese muss, unabhängig von der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, immer ein wenig höher sein als jene, die
er seinen Investoren auszahlt. Ansonsten würde er keine Gewinne machen. Auf dieser Ebene greift dann vor allem die Deregulierung
der Finanzmärkte – für die institutionellen Anleger wurden immer mehr Möglichkeiten geschaffen, durch riskantere Anlagen die
hohen Renditeerwartungen ihrer Kunden zu befriedigen und selbst auch noch einen Gewinn zu erwirtschaften. Der Appetit auf
saftige Renditen verführt den institutionellen Anleger zu noch riskanterem Verhalten, als es einem Privatanleger sinnvoll
erscheint und überhaupt möglich ist. Das hat zum einen mit der – hoffentlich – höheren Kompetenz der professionellen Anleger
zu tun. Zum zweiten aber auch mit der Tatsache, dass sie nicht mit eigenem Geld, sondern mit dem ihrer Anleger agieren. 33
Ihren Gipfel erreicht die Risikobereitschaft, wenn die Finanzinvestitionen außer mit den Einlagen noch mit Krediten finanziert
werden. Dann haben wir es mit dem sogenannten Leveraging zu tun, bei dem die Rendite auf das Eigenkapital durch die Aufnahme
von Fremdkapital gleichsam »hochgehebelt« wird. Wie das geht? Bei gleichem Nettogewinn, der allerdings brutto wegen der Kreditkosten
höher ausfallen muss, wird in diesem Fall weniger Eigenkapital eingesetzt. Das Ganze ist jedoch nicht unproblematisch. Falls
sich die Investition nicht rentiert und es zu Verlusten kommt, fallen diese wegen der Kreditkosten, die ja unabhängig vom
Erfolg des Projekts bestehen, gleichfalls höher aus. Die Verluste können leicht existenzgefährdend werden. Befeuert wird das
Ganze noch von einem Bonussystem, |98| das solch riskantes Verhalten belohnt, da die Banker an den Gewinnen proportional beteiligt sind, während die Verluste die
Bank tragen muss.
Im Prinzip gibt es zwischen dem Verhalten privater und professioneller Anleger keinen Unterschied, und das macht die Sache
so brisant. Das Verhalten der institutionellen Anleger, die ebenso fundamental unsicher über die künftige Entwicklung sind
wie du und ich, wird letztlich von den gleichen Emotionen gesteuert wie das der Privatanleger. Auch sie durchlaufen den Zyklus
von Euphorie und Risikosucht auf der einen und Panik und Sicherheitsstreben auf der anderen Seite. Der geschilderte Ablauf
macht auch deutlich, wie die Zusammenballung besonders hoher Einkommen die Finanzmärkte gleichsam mit Treibstoff versorgt,
der den emotionalen Zyklus immer weiter ausschwingen lässt. Dass der Markt immer weniger reguliert ist, erhöht dabei den Spielraum
der Schwankungsbreite. Wen wundert es also, wenn eine Wirtschaft, in der sich die Wohlhabenden mit immer höheren Finanzmitteln
auf den Finanzmärkten orientieren, immer stärkere Zyklen von Euphorie und Boom sowie Panik und Krise durchläuft.
Die Rolle des Konsums
Dem wohlhabenden Teil der Gesellschaft stehen jene Menschen gegenüber, die als Niedrigverdiener oder gar als arm bezeichnet
werden. Sie haben keine Möglichkeit, sich am Finanzmarkt zu engagieren. Diese Haushalte haben einen solchen Verlust an Kaufkraft
erfahren, dass sie sich ihre Konsumwünsche kaum oder gar nicht mehr erfüllen können. Das gilt in abgeschwächter Form auch
für die Mittelschicht. Diese Haushalte sind zwar noch in der Lage,
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