Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer immer mehr Probleme bekommen würden, ihre Produkte abzusetzen. Gleichzeitig würden Importe
im Vergleich zu heimischen Produkten immer billiger, und so war auch zu erwarten, dass sie immer weiter zunehmen würden. Im
Endeffekt mussten die Außenhandelsbilanzen dieser Länder immer tiefer in die roten Zahlen geraten.
Dieser Prozess ist nicht zwangsläufig mit sinkenden Exporten verbunden. Eine gute Konjunktur kann in anderen Ländern schon
für steigende Nachfrage sorgen, auch wenn diese Steigerung schwächer ausfallen dürfte als in Ländern, deren Wettbewerbsfähigkeit
sich verbessert. Dann gehen Marktanteile auf den Exportmärkten verloren, und die hohen Löhne sorgen für eine positive Einkommensentwicklung
im Inland, die die Importe noch mehr stimulieren. Für die Länder mit sich steigernder Wettbewerbsfähigkeit verläuft der Prozess
umgekehrt. Sie exportieren immer mehr, und da sich hier die Importe im Vergleich zu heimischen Produkten immer mehr verteuern,
halten die Einfuhren nicht mehr Schritt mit den Ausfuhren. Im Ergebnis stellt sich ein steigender Überschuss in der Außenhandelbilanz
ein, wie Abbildung 8 zeigt.
All das ist kurzfristig betrachtet ohne größere Bedeutung. Auf Dauer entstehen aber gewaltige Probleme, wenn immer die gleichen
Volkswirtschaften Überschüsse erzielen oder Defizite aufbauen. Im ersten Fall entsteht immer mehr Kapital. Im zweiten verschulden
sich die Länder immer stärker. In der Folge muss es zu vielen finanziellen |106| Transaktionen zwischen den Volkswirtschaften kommen. Das Kapital aus den Überschussländern sucht Anlage, und die Defizitländer
benötigen eine ständige Refinanzierung ihrer Schulden. Das war auch ein Teil des Humus, auf dem die Sumpfblüte der Finanzmärkte
gedeihen konnte. Der globale Transaktionsbedarf durch ständig zunehmende außenwirtschaftliche Ungleichgewichte explodierte
förmlich. Die Probleme entstehen dann, wenn die Kreditfähigkeit der Defizitländer ins Zwielicht gerät. Wann das der Fall ist,
kann man kaum vorhersagen. Aber eines ist sicher: Der Zeitpunkt wird genauso wie im Fall der Hypothekenkredite irgendwann
kommen. Und dann sind auch die Gläubiger betroffen, die der Wirtschaft in diesen Staaten Geld geliehen haben, also wir.
Dabei ist es für die Märkte zunächst ohne Bedeutung, ob die vermutete Überschuldung ursprünglich aus dem privaten oder dem
öffentlichen Bereich kommt. Letztlich werden auch private Schulden zu öffentlichen Schulden, wenn der Staat aufgrund einer
Schuldenkrise dazu gezwungen ist, die Wirtschaft zu stabilisieren. Wie so etwas abläuft, zeigte sich während der Finanzkrise
an den Beispielen Griechenlands und Spaniens. In Griechenland war der Staatssektor hoch verschuldet, und als sich im Frühjahr
2010 die Schulden als höher herausstellten als erwartet, begann die dramatische Entwicklung um die griechischen Staatsschulden,
die in einer tiefen Vertrauenskrise mündete. In Spanien war der Staatssektor überhaupt nicht überschuldet, sondern es betraf
allein den privaten Sektor. Kaum bildete sich hier eine Vertrauenskrise, stürzte die spanische Wirtschaft ab und die Staatsverschuldung
stieg steil an. Ähnlich verhielt es sich mit Irland. Am Ende des Tages waren – trotz recht unterschiedlicher Ursachen für
die Vertrauenskrise – die Staatsschulden in diesen Ländern schlicht und einfach zu hoch.
Innerhalb des Euroraums erlosch das Vertrauen in die finanzielle Stabilität einzelner Mitgliedsländer spätestens im Frühjahr
2010; erste Anzeichen waren schon im Spätherbst 2009 erkennbar gewesen. In den Vereinigten Staaten, wo sich die Leistungsbilanzdefizite
in noch wesentlich größeren Dimensionen über Jahre aufgehäuft hatten, |107| kam die Vertrauenskrise in die gesamte Volkswirtschaft bereits mit dem Beginn der Finanzmarktkrise. Ausgelöst durch die Entwicklungen
bei den Subprime-Krediten auf dem Immobilienmarkt, breitete sich das hoch infektiöse Virus namens »Misstrauen« rasch auf andere
Bereiche der Finanzmärkte aus. In der Folge zogen die Gläubiger so schnell wie möglich ihr Geld ab. Die Flucht in die halbwegs
sichere Liquidität nahm ihren Lauf.
Die Wurzeln der Krise – ein erstes Zwischenfazit
Die gefährliche Mischung ist schon seit einigen Jahren angerichtet. Die Politik der Ungleichheit sorgte für Konsumnöte einer
stetig wachsenden Schicht von Menschen, deren Einkommen im Vorfeld der Krise
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