Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
Vom Netzwerk:
haben.
    »Soso, unsichtbar und durch die Luft fliegen – Quatsch, ausgemachter Blödsinn.« Ich konnte mir dieses Urteil wohl erlauben, hatte ich es doch zeitlebens mit aufgeklärten Geistern zu tun gehabt wie meinem weit gereisten Lehrer Berthold von Wittringen, meinem forschenden Freund Johannes Ossenstert und dem erfinderischen Sir Desmond. Sie alle hatten nicht selten Leib und Leben riskiert, indem sie sich gegen die Meinung des Volkes und, weit gefährlicher, gegen den Irrglauben der Kirche gestellt hatten.
    »Fliegen?«, pflegte Sir Desmond zu diesem Thema stets zu sagen, »da müsste der Mensch schon als Vogel geboren werden.« »Unsichtbar?«, war Ossensterts von einem herzlichen Lachen begleiteter Standpunkt, »das wird der Mensch erst, wenn er es schafft, die Materie seiner selbst zu verändern. Und das wird ihm niemals gelingen.«
    Doch solche Menschen waren eindeutig in der Minderzahl, und selbst ein kluger Kopf wie der Graf von Crange hielt die Existenz von Werwölfen für die Realität und die ihnen zugesprochenen Fähigkeiten für durchaus möglich. Nun, ich stand in seiner Schuld und würde deshalb nolens volens diesem Aspekt der Angelegenheit nachgehen müssen. Außerdem musste ich einräumen, dass ich selbst gegenwärtig außerstande war, eine vernünftige Erklärung dafür anzubieten, wie es zu den bestialischen Spuren an den Leichen der Angehörigen des Trecks gekommen war.
    Als hätte er meine Gedanken lesen können, fuhr Gernot fort: »Ich habe drei Kaufleute gesprochen, die bei der Gruppe waren, die kurz nach der Tat am Schauplatz anlangte. Es muss ein fürchterlicher Anblick gewesen sein. Als seien die Körper von Pranken zerfetzt worden. Aus den Körpern war an vielen Stellen Fleisch herausgebissen worden, und alle haben ausgesehen, als seien stählerne Krallen über sie hinweggefahren. – Sie sagen, ein ganzes Rudel Wölfe würde nicht eine solche Verwüstung der Körper anrichten.«
    Wahrscheinlich hatte sich mein lieber Gernot dies alles bei seiner Schilderung sehr plastisch vor Augen geführt, denn er musste mehrmals schlucken und bestellte sich sodann einen ordentlichen Becher Branntwein, den er in einem Zug hinuntergoss. Der Wirt, der am Tisch stehen geblieben war, um das leere Gefäß wieder in Empfang zu nehmen, erinnerte uns höflich daran, uns auf den Weg zu machen, wenn wir es durch das Gewühl noch bis zu unseren Plätzen schaffen wollten. Er trat dabei von einem Fuß auf den anderen, und weil ich sah, dass außer uns keine weiteren Gäste anwesend waren, vermutete ich stark, dass er gleich nach unserem Abgang absperren und ebenfalls zum Richtplatz eilen würde. Ich zahlte, wir dankten und folgten seinem Rat, wobei Gernot durch Umsicht glänzte, indem er sich vorsichtshalber eine Flasche Branntwein und zwei Becher mitgeben ließ.
    Draußen erwarteten uns strahlender Sonnenschein und eine milde Luft. Ein herrlicher Tag für eine Hinrichtung. So mochten jedenfalls die Menschen gedacht haben, die in hektischer Betriebsamkeit an uns vorbeieilten, in aufgeputschter Stimmung und von überdrehter Fröhlichkeit.
    Je näher wir dem Ufer kamen, desto dichter wurde das Gedränge. Auf dem Richtplatz selbst drohten die Verkaufsstände fast zerdrückt zu werden, doch anscheinend tat das dem Geschäft keinen Abbruch. Marktschreierisch wurden kleine Pasteten feilgeboten, Bier und Wein wurden literweise abgesetzt, wobei viele Käufer sich obendrein einen Schluck Branntwein gönnten. Und auch die Bauern, die am Rand der Wiese aus voluminösen Körben Käse, Wurst und Räucherspeck anboten, kamen auf ihre Kosten.
    Konnte ich für diese Händler noch einiges Verständnis aufbringen, da in beinahe jeder Lebenslage gegessen und getrunken werden muss, waren mir diejenigen zuwider, die mit ihren Waren direkt an die Sensationsgier des Pöbels appellierten. Mit ihren Bauchläden quetschten sie sich durch das dichteste Gewühl, winzige, auf Stöckchen gesteckte Holzräder, auf die eine Puppe geflochten war, in die Luft reckend. Einige trieben die Geschmacklosigkeit so weit, dass sie die Aufmerksamkeit dadurch zu erheischen suchten, dass sie Schreie ausstießen, als habe man ihnen selbst soeben die Knochen gebrochen. Wieder andere waren mit Figuren behängt, die Menschen mit Wolfsköpfen darstellten, und knurrten mit im Scherz gefletschten Zähnen Kinder an, die sich kichernd an ihre Eltern drückten. Ganz Schlaue hatten bereits jetzt Zeichnungen parat, die in einer Bildfolge zeigten, wie der Delinquent

Weitere Kostenlose Bücher